1. Handikap


    Datum: 21.01.2021, Kategorien: Romantisch

    ... der Fensterbrüstung. Obwohl es von außen nicht recht zu erkennen war, muss sie sich stets aufrecht gehalten haben. Nie ließ sie eine Bewegung des Oberkörpers erkennen. Sie erschien vielmehr wie eine gemalte Person im Rahmen des Fensters.
    
    Dass ich Helen noch heute so genau beschreiben kann, liegt daran, dass ich sie nun schon seit Jahren kenne. Aber dennoch denke ich, dass der erste äußerliche Eindruck auf mich in etwa so gewesen war, wie ich es versucht habe zu beschreiben. Es tut nichts zur Sache, wie wir damals bekannt und später befreundet wurden. Wichtig scheint mir nur, dass unsere Verbundenheit nie im eigentlichen Sinne sexuell geprägt war. Man muss sich eher eine innige Verbindung auf gleicher Augenhöhe unter Wesensgleichen, unter Busenfreunden oder unter Blutsbrüdern vorstellen. Dieses innige, tiefe Empfinden für diese Frau gibt mir die Möglichkeit, legt mir zugleich aber auch die Verpflichtung auf, über sie und ihr Schicksal zu berichten, von dem ich in unzähligen Stunden gemeinsamer Gespräche, gemeinsamen Lachens wie nachdenklicher Ruhe erfahren habe.
    
    Helen hatte eine sehr glückliche Kindheit und Jugend. Ihre Eltern waren warmherzig und unternahmen alles, ihrem einzigen Kind das Beste zukommen zu lassen. Dann kam ihr 16. Geburtstag, in dessen Folge sich ihr ganzes Leben nachhaltig verändern sollte. Wie in all den anderen Jahren, waren sie zur Osterzeit in den Skiurlaub nach St. Moritz gefahren. Da beide Eltern in höherer Position bei einer kleinen Regionalbank beschäftigt waren, konnte sich die Familie diesen Luxus durchaus leisten. Nur wenige Stunden trennten die glückliche Familie
«12»