Göttliche Fügung
Datum: 02.07.2021,
Kategorien:
Romantisch
"Herein", rufe ich.
An meiner Bürotür hat es geklopft. Es ist ein sehr schüchternes und unsicheres Klopfen. Ich hätte es um ein Haar überhört. Dabei dürfte eigentlich niemand klopfen - zumindest nicht so zaghaft. Besucher werden im Regelfall von meiner Sekretärin telefonisch angekündigt und dann begleitet. Die hat jedoch ein sehr energisches Klopfen. Zurückhaltung ist nicht ihre Stärke. Da muss jemand anderes vor der Tür stehen.
Zu mir vorzudringen ist generell nicht einfach. Ohne Termin geht da schon mal gar nichts. Nur wer auf einer speziellen Vormerkliste steht, wird beim Empfang weitergelassen und muss sich dann bei meiner Sekretärin melden. Erst wenn sie den Besucher gecheckt hat und grünes Licht gibt, dann darf ein Besucher zu mir ins Büro. Auf diese Vorgehensweise hat meine Sekretärin bestanden.
Es ist aber schon nach 17 Uhr. Deshalb dürfte niemand mehr bis vor meine Tür kommen. Meine Sekretärin könnte schon weg sein. Ach ja, wenn ich mich richtig erinnere, hat sie in der Früh erwähnt, dass sie heute etwas früher wegmuss, weil sie einen wichtigen Termin mit ihrem Sohn wahrnehmen muss. Ich bin da nicht so streng. Schließlich bleibt sie an manchen Tagen auch deutlich länger, wenn es notwendig ist. Sie ist wirklich eine sehr treue Seele und eine hervorragende Sekretärin.
Allerdings hätte in diesem Fall der Empfang den Besuch erst gar nicht durchlassen dürfen. Außerdem habe ich heute ganz sicher keinen Termin. Ich hatte mir ganz bewusst den ganzen Nachmittag ...
... und Abend freigehalten, weil ich mich auf ein Projekt konzentrieren muss. Diese Unterbrechung kommt deshalb denkbar ungelegen.
Langsam wird die Klinke nach unten gedrückt und die Tür öffnet sich nur einen Spalt. Ein wirrer brauner Lockenkopf erscheint. Im ersten Augenblick kann ich nur Haare erkennen. Hey, da schaut sogar eine Nase hervor. Also steckt vermutlich doch ein Mensch darunter, eine Frau - vermutlich.
"Na kommen Sie schon herein", fordere ich sie auf.
Ich finde es ein wenig lustig, dass jemand sich nicht traut, in mein Büro zu kommen. So etwas ist mir noch nie passiert. Ich muss schmunzeln und bin allein dadurch schon versöhnlich gestimmt. Der Ärger über die Unterbrechung ist verraucht.
"Ich will nicht stören", meint eine angenehm klingende Frauenstimme.
"Das haben Sie schon", necke ich sie.
"Oh, das wollte ich nicht. Soll ich ein andermal wiederkommen?"
So viel Zurückhaltung ist mir schon lange nicht mehr untergekommen. In der Regel sind die Leute eher zu forsch als zu schüchtern. Doch diese Frau übertrifft alles, was mir bisher untergekommen ist. Ich habe beinahe ein schlechtes Gewissen, dass ich sie aufgezogen habe.
"Kommen Sie herein", antworte ich entschlossen. "Was kann ich für Sie tun?"
Während ich das sage stehe ich auf. Auf meine Aufforderung hin lässt sie die Tür aufschwingen und kommt wenige Schritte in den Raum herein. Mein ungebetener Gast entpuppt sich als junge Frau mit einer sensationellen Figur. Sie ist sportlich-leger ...