Die nackte Frau im Garten
Datum: 13.12.2022,
Kategorien:
CMNF
... beim Wein noch bei den Frauen!
Nach dem langsamen Genuß einer Flasche hervorragenden Brunellos sinkt die Dämmerung über die Hügel, die Lichter der Stadt blinken in der Ferne mit dem südlichen Sternenhimmel um die Wette. Ich suche meine komfortable Zelle im ruhigen hinteren Teil des Anwesens auf, bewundere im Vorbeigehen die exquisite Einrichtung der um den ehemaligen Kreuzgang mit dem steinernen Brunnen in der Mitte gelegenen Räumlichkeiten und beschließe, am nächsten Tag noch etwas tiefer in die Geschichte des Konvents und der Familie Guicciardini-Strozzi einzudringen.
Ein hohes Fenster, mit kunstvollen schmiedeeisernen Gittern gesichert, führt in Richtung der Rückseite der alten Kirche. Man kann zwischen den ehrwürdigen Zypressen den Glockenturm erkennen, dessen Geläut allerdings heute verstummt ist. Eine Glastüre öffnet den Zugang in den gepflegten Garten, wo zwischen dichten Lorbeerhecken ein malerischer Teich angenehme Kühle ausstrahlt.
Die Anstrengungen der Reise und der schwere Rotwein lassen mir die Augen zufallen, kaum daß ich todmüde ins Bett gestiegen bin. Der klagende Ruf eines Käuzchens weckt mich jedoch unvermittelt aus einem äußerst realistischen erotischen Traum von reichen Tuchhändlern und ihren schönen Töchtern. Ein Blick auf die Turmuhr zeigt, daß es genau Mitternacht ist.
Hinter den Hecken um den Teich flackert ein schwacher Lichtschein auf. Zunächst denke ich an eine Sinnestäuschung. Doch dann sehe ich im Mondlicht ganz deutlich die Umrisse ...
... einer schlanken jungen Frau, die mit einer Laterne in der Hand am Ufer entlang schreitet. Der Kopf mit der altmodischen Haartracht ist stolz erhoben, ein Diadem glänzt zwischen den schwarzen Locken. Die grünen Steine funkeln mit denen der Halskette um die Wette. Und die Frau ist ... völlig nackt!
Ich reibe mir die Augen, stehe auf und laufe im Nachtgewand zum Teich. Doch ich komme zu spät. Von der Nackten ist keine Spur mehr zu entdecken. Habe ich das alles nur geträumt?
Am nächsten Tag überlege ich, beim Frühstück einem von den kleinen Hausmädchen in den schwarzweißen Uniformen von meinem mitternächtlichen Erlebnis zu erzählen, fürchte jedoch, ausgelacht zu werden. Die sehen wirklich zum Anbeißen aus und könnten das Ganze als ziemlich dumme Anmache mißverstehen. Der Verwalter ist auch nicht da, aber er würde die Geschichte wohl eher der benebelnden Wirkung des Brunello zuschreiben, als daß er ihr Glauben schenken möchte. So sage ich nichts und studiere konzentriert den Weg zu meiner Weinverkostung nach Montalcino.
In einer Weinzeitschrift auf dem Tischchen vor dem alten Kamin entdecke ich wie zufällig einen Artikel über die junge Generation der Familie Guicciardini-Strozzi, deren hübsche schwarzhaarige Vertreterinnen Natalia und Irina über ihre Großmutter, die Contessa Maria Luisa, direkte Nachfahren in fünfzehnter Generation der weltberühmten Mona Lisa des Leonardo da Vinci sein sollen. Natalia sieht auf dem Bild für mich genau so aus wie meine nackte junge Frau in ...