Der Prinz
Datum: 03.07.2023,
Kategorien:
Romantisch
"Ein Arzt! Ist hier ein Arzt?", ruft jemand. "Wir brauchen ganz dringend einen Arzt."
Ich sitze im Stau fest und bin soeben aus meinem Wagen gestiegen. Ich bin in Eile und das Herumsitzen macht mich nur noch nervöser. Ich will nachschauen, was da überhaupt los ist. Genau in diesem Moment höre die verzweifelten Rufe. Ein Polizeibeamter irrt aufgeregt durch die Reihen der stehenden Fahrzeuge. Zum Unfall muss es nur wenige Autos vor mir gekommen sein. Allerdings kann ich von meinem Standort aus so gut wie nichts sehen. Ein LKW, direkt vor mir, versperrt mir die Sicht und das ist nervig.
Ich müsste eigentlich schon längst im Krankenhaus sein, weil in einer knappen Viertelstunde mein Dienst anfängt. Doch wegen dieses Staus komme ich jetzt garantiert zu spät. Ich hoffe nur, dass das keine Probleme gibt. Aber was kann ich dafür? Normalerweise ist um diese Zeit kaum Verkehr - zumindest nicht in diesem Bereich der Stadt. Ich bin ein ausgesprochen pünktlicher Mensch und immer bemüht, nicht zu spät zu kommen. Ich hasse Unpünktlichkeit. Deshalb hatte ich ja auch geplant, bereits eine halbe Stunde früher zu starten. Doch meine Schwester hat mich wieder einmal aufgehalten und mit Fragen gelöchert. Natürlich war es wieder dieses eine, leidige Thema. Sie kann einfach nicht verstehen, dass ich mit Mitte Zwanzig immer noch keinen festen Freund habe. Sie hat mich sogar gefragt, ob ich lesbisch bin. Ich und lesbisch? Als ob jede Frau, die keinen Kerl hat, gleich lesbisch sein muss.
Der ...
... Ruf nach einem Arzt reißt mich aus meinen Gedanken. Ich bin Ärztin, eine blutjunge Assistenzärztin, wie ein Oberarzt mir kürzlich an den Kopf geworfen hat, als ich während der Visite ungefragt vorgeschlagen habe, bei einem Patienten einen ganz neuen Therapieansatz zu versuchen. Aber ja, ich bin Ärztin. Na gut, ich bin erst seit zwei Monaten Assistenzärztin, aber das heißt noch lange nicht, dass ich völlig unerfahren bin. Ich lese viel in Fachzeitschriften und versuche ständig auf dem neuesten Stand zu sein. Etwas, was ältere Kollegen ganz offensichtlich nicht mehr so regelmäßig machen, wie der Fall meines Oberarztes beweist.
Doch jetzt ist nicht die Zeit, mir Gedanken zu machen, ob ich qualifiziert bin oder nicht. Wenn ich gebraucht werde, bin ich zur Stelle. Sollten sie einen anderen Arzt finden, kann ich ihm immer noch das Feld überlassen oder assistieren. Ich schnappe also meine Arzttasche, die ich immer im Wagen parat habe. Man kann schließlich nie wissen, ob man sie braucht. Das ist eine Marotte von mir.
"Hier! Ich bin Ärztin!", rufe ich.
Gleichzeitig laufe ich nach Vorn, wo der Polizist sich gerade danach umschaut, wer da gerufen hat. Deshalb winke ich ihm zu, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Er ist noch blutjung und sichtlich aufgeregt. Es sieht irgendwie so aus, als wäre es sein erster Verkehrsunfall mit Verletzten.
"Kommen Sie! Schnell!", ruft er. "Es zählt jede Sekunde!"
"Ich beeile mich ja!", versuche ich ihn zu beruhigen.
So ganz gelingt mir ...