1. Claudias Selbstfindung – Teil 1


    Datum: 21.10.2023, Kategorien: Schamsituation

    Prolog:
    
    Endlich achtzehn, endlich mit der Schule fertig und endlich ausziehen!
    
    Wie sehr hatte ich das herbeigesehnt. Die emotionale Enge der Familie, der Abi-Leistungsdruck und die Religiosität meiner Eltern schnürten mir schon viel zu lange die Luft zum Atmen ab.
    
    Ich wusste, wenn ich nicht eingehen will, muss ich handeln.
    
    Also nutze ich die Zeit unmittelbar nach dem schriftlichen Abi, um mir einen Studienplatz zu suchen und fand tatsächlich an der Uni Rostock einen Studienplatz für Biologie!
    
    Obwohl oder vielleicht auch weil meine Eltern strebsam, sparsam und leistungsorientiert waren, kehrte sich mit der Zusage des Studienplatzes (auch dank meiner Strebernoten, hihi) die ganze Krämerseele, die mein Elternhaus beherrschte, in fürsorgliche Großzügigkeit um:
    
    Das Kind braucht eine anständige Wohnung da oben. Ausbildung ist wichtig! Neinnein, Claudia, Du musst nicht auch noch arbeiten gehen, Du brauchst Deine Zeit zum Lernen.
    
    ___
    
    Die Wohnung, zwei Zimmer, sogar mit Balkon, war glücklich und schnell gefunden, meine Möbel sollte ich einfach mitnehmen, und so zog ich schon im Sommer um. Es waren noch ein paar Wochen bis zum ersten Semester und ich nutzte die Zeit, mich in meiner neuen Umgebung umzusehen.
    
    Wettergemäß erkundigte ich zuerst die Badegelegenheiten und bis auf wenige Ausnahmen blieb es auch dabei.
    
    Ich weiß nicht, vielleicht war es der Drang nach Freiheit, vielleicht schlummerte es aber auch schon länger in mir: dass es hier so viele ...
    ... Abschnitte gab zum Nacktbaden, störte mich nicht im geringsten - auch wenn ich mich das selbst nicht traute. Noch nicht.
    
    In mir sagte alles, zieh Dich auch aus, nur meine Hände gehorchten nicht.
    
    Während ich mich über meine Feigheit ärgerte, dachte ich zurück an die Zeit, wo ich erstmals einen nackten Männerkörper gesehen hatte. Natürlich auf meinem ersten Smartphone, heimlich unter der Bettdecke, mit feuchtem Höschen. FKK-Bilder hatten es mir schon damals mit 14 angetan, ich bewunderte den Mut dieser Menschen, die Ausstrahlung ihrer Lebensfreude, die Schönheit ihrer wahrlich nicht immer makellosen Körper.
    
    Im Kontrast zu daheim - meine Eltern oder meinen Bruder hatte ich nie nackt gesehen - schien dies genau das zu sein, was ich wollte. Wäre da nicht dieses tief in mir sitzende Schamgefühl, das ich nicht loswerden konnte. Es war wie in meinen Genen einprogrammiert. Nebenbei ein Feld, auf dem ich später einmal forschen wollte: Auswirkung von Sozialisation auf die biologische Entwicklung von Organismen. Natürlich hatte die Prüderie meiner Eltern nicht mein Genom verändert, aber zumindest meine neuronalen Verknüpfungen maßgeblich beeinträchtigt. Aber genug dazu. Ich wollte mein Schamgefühl, diese Last, loswerden.
    
    Kontaktscheu war ich nicht, viele Studenten waren während der Semesterferien hiergeblieben und so war der Strand voll von jungen Menschen. Beach-Volleyball ist ein guter Ort, Leute kennenzulernen und so war ich innerhalb einer Woche in einer Clique von knapp zehn ...
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