Nachbarschaftshilfe
Datum: 05.12.2024,
Kategorien:
Reif
... "Ich steh am Fenster, was denkst du?", frage ich zurück und drehe mich zu ihm um. Er sieht mich an und sagt: "Du bist dicker geworden." Ich sehe an mir herab und denke, dass er eigentlich recht hat und dass er das eigentlich gar nicht sagen muss. "Sag, wo sind meine Schuhe?", fragt er. "Im Schrank." "Nee, eben nicht." "Welche denn?" "Die braunen mit der Ledersohle." "Die sind im Flur, im Regal." "Eben nicht!" "Na klar, schau halt richtig nach!", sage ich gereizt. Ich ärgere mich, dass er mir meinen Fensterflirt versaut. Als ich mich endlich wieder umdrehe, ist der Mann weg, das Licht aus, langsam dämmert der Tag. Ich blicke herunter zur Straße, ob ich ihn vielleicht dort noch...tatsächlich...das das könnte er sein, denke ich und sehe einen Mann im hellen Wintermantel um die Ecke gehen. Sehr dynamisch, denke ich, sehr kraftvoll.
Ich verabschiede meinen Liebling an der Tür. Noch immer bin ich nackt. Allmählich wird mir kalt, aber irgendwie habe ich das unbändige Bedürfnis nach Nacktheit. Ich weiß nicht, weshalb. Ich stehe in der halb geöffneten Wohnungstür - und hier ist es tatsächlich kalt - sehe Carsten nach, höre ihm nach, wie er die Treppen hinabeilt. Ich genieße es, in der offenen Tür zu stehen. Mein Gott, ist das schön. Ich trete hinaus in den kalten Hausflur. Einen halben Schritt, einen ganzen. Noch halte ich mich mit den Fingerspitzen an dem Knauf der Wohnungstür. Dann lasse ich los. Man muss loslassen können im Leben, sonst erlebt man nicht viel. Ich trete drei ...
... beherzte Schritte vor. Nackt, barfuß und alleine. Mit lautem Knall fällt die Wohnungstür ins Schloss.
Ich bin nicht wirklich überrascht und ertappe mich bei dem Gedanken, dass das alles irgendwie von mir geplant war. Ein seltsamer Plan, denke ich und blicke auf die geschlossene Tür. Dahinter die warme Dusche, der heiße Kaffee. Und hier? Ich blicke an mir herab. Kälte und Abenteuer.
Ich lenke meine Schritte vorsichtig die Treppe hinauf. Meine nackten Fußsohlen machen patschende Geräusche auf dem kalten Vinyl. Wir kennen unsere Nachbarn kaum. Eigentlich sprechen wir nur mit ihnen und sie mit uns, wenn mal ein Paket abgegeben wird oder anderes. Neben uns wohnen zwei junge Pärchen. Die sind nett, mehr nicht. Was will ich oben?, denke ich für mich, obwohl ich die Antwort längst kenne. Oben wohnt der alte notgeile Knacker. So habe ich ihn getauft. Der, der mir im Sommer immer in den Ausschnitt glotzt und mir, wenn ich enge Hosen trage, schnaufend nachsieht. Der ist gar nicht mal so alt, vielleicht Anfang Sechzig. Ein wenig seltsam, verschroben nennt man das wohl. Zu mir jedoch meist sehr nett und aufmerksam. Nun, ich kann mir denken, weshalb.
Ich klingle. Es dauert. Was, denke ich, wenn er gar nicht zuhause ist. Was dann? Langsam erscheint mir meine Spontaneität als ausgesprochene Dummheit. Endlich, nach einer Ewigkeit, öffnet sich die Tür.
"Guten Morgen", sagt er verdutzt und seine Augen gleiten verwundert, jedoch anerkennend über meinen nackten Leib.
"Entschuldigen Sie ...