1. Verrat 1


    Datum: 08.12.2019, Kategorien: Hardcore,

    von Jaqueline_ K
    
    Im Dunkeln
    
    Man verliert sein Zeitgefühl, hatte ich mal gelesen. Aber das andere hatte ich wohl ausgelassen. Oder von den anderen war keiner in so einer Lage wie ich gewesen, nackt und in einem dunklen Raum an einen hölzernen Lehnstuhl gebunden. Tage hatte ich hier gesessen oder waren es schon Wochen, vielleicht Monate?
    
    Wasser hatten sie mir gebracht, aber das war es auch schon.
    
    Am ersten Tag hatte ich noch gebeten, aufs Klo zu dürfen. Sie hatten nur gelacht. Als sie kamen und mir die Kuppe meines kleinen Fingers abschnitten, hab ich geheult und geschrien, was sie nicht beeindruckte. Ich spürte den Finger nicht mehr. Ich spürte die ganze Hand und den halben Arm nicht. Auch meine Füße und mein Hintern waren Taub. Zum Glück, dachte ich, saß ich doch seit geraumer Zeit in meinen Exkrementen.
    
    Das war das andere, was ich verloren hatte. Ich hatte das Gefühl verloren, eine Frau zu sein. Nein auch nicht, ich fühlte mich nicht mal mehr richtig als Mensch. Ich war ein Geist. Reine Gedanken, eingesperrt in absoluter Dunkelheit. Alleine und verlassen und in fast perfekter Stille. Manchmal war da ein Klopfen. Dann wieder das Geräusch von Wasser, das wo hindurch gurgelte oder das plätscherte. Zwischendurch viel mir auf, dass es wohl der Moment sein müsste, wenn sich meine Blase entleert, nur dass mir nicht mehr genau klar war, wann es passierte.
    
    Und wie schon öfter in den letzten Tagen, kamen die Gedanken, wie ich hier her geraten war. Das letzte, ...
    ... an das ich mich erinnerte, war Annas lachendes Gesicht. Es war an einer Strandbar in Bari gewesen. Der Mai Tai war wirklich lecker gewesen und es war an diesem Abend mein dritter. Wir waren erst zwei Tage vorher mit dem Zug angekommen. Ich hatte sie über das Internet kennen gelernt und ich hatte mich nach einem halben Jahr intensiven Chatens für diese Woche Urlaub zum ersten Mal mit ihr getroffen. Es war, als wenn wir schon immer zusammen gewesen wären. Es war wie im Netz nur echt und zum Anfassen. Wir waren direkt am ersten Abend in einem Bett gelandet. Haben Leberflecke gezählt, die gewöhnlichen und die ungewöhnlichen.
    
    Ich hatte so eines in der Nähe meiner Scham in der Form eines Herzens, mit etwas Fantasie. Aber meine Mama sagte immer, an diesem würde sie mich unter 100.000 Menschen erkennen. Einen besseren Beweis gäbe es nicht, dass ich ich wäre.
    
    Mich überkam Trauer, wenn ich an Mama dachte. Ich hatte sie jetzt seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Seit dem Tag, als mein Vater beschlossen hatte, dass für seine sechzehnjährige Tochter ein Internat auf einer Insel im Rhein ein besserer Ort sei als die internationale Schule in Rom. Mein Vater, der deutsche Botschafter in Rom, der es Leid war, seine Sicherheitskräfte in den Straßen der Stadt nach seiner verlorenen Tochter suchen zu lassen. Die Tochter, die statt in der Schule in irgendwelchen Hinterhöfen herumlief.
    
    Heute war ich achtzehn. Jetzt konnte er mir nichts mehr verbieten. Aber ich hätte besser mal auf ihn ...
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