Sterne
Datum: 09.12.2019,
Kategorien:
Romantisch
... hin, drückte seine stinkende Zigarette aus und sah mich fest an.
"Nach einer der letzten Proben habe ich sie im Auto mitgenommen. Es ist ganz schwer zu sehen, was sie denkt und fühlt, aber an dem Abend schien sie kurz davor, in den Sack zu hauen. Sie spricht sehr gut Deutsch, aber sie spricht nicht viel. Ist vom Typ... könnte ich nicht mal sagen. Sie ist einzigartig. Egal, wir fahren also durch Berlin und mein USB-Stick läuft einfach durch, mit der Mucke, die drauf war."
Ich erinnerte mich nur zu gut an Fahrten mit Helge. Dass die gute Dame nicht viel sagte, lag vermutlich daran, dass er die Tendenz hatte, Musik im Auto so laut zu machen, dass man sie ohnehin nicht verstanden hätte.
"Dann lief "Fade away"."
Eines unserer alten Stücke. Von unserem ersten und einzigen Album.
"Ich erklärte ihr, dass es von unserer alten Band war, um überhaupt mal ein Gespräch in Gang zu bekommen. Und da blitzte es plötzlich in ihren Augen und sie war total interessiert."
Es war nicht einmal eines der besseren Stücke. Hm. Langsam wurde mir klar, in welche Richtung das ging.
"Das war das einzige von uns, was ich auf dem Stick hatte. Sie bestand darauf, dass ich ihr unser ganzes Album vorspielte. Also nahm ich sie mit zu mir. Das war scheiße peinlich, Mann. Ich war auf Damenbesuch gar nicht eingerichtet. Die Wohnung ein stinkendes Chaos. Überall Scheppel-Hefte und vollgewichste Taschentücher und so 'n Zeug."
Oh Helge. Du hast dich nicht verändert. Und die Ankunft des ...
... Internets vermutlich auch noch nicht mitbekommen. Wer las denn heutzutage noch Pornohefte?
"Aber sie war voll cool, sie wollte unbedingt die Platte hören."
Ja, wir hatten tatsächlich noch auf Vinyl gepresst, obwohl es schon CDs gab. Die Platte hatte ich selbstverständlich auch noch, aber nicht einmal mehr einen Plattenspieler.
"Und die hat ihr gefallen", warf ich in den Raum.
"Ja, Mann. Die hat ihr gefallen. Sie sagte, das wäre ungewöhnlich, einzigartig, geil."
Schlecht war sie nicht, das stimmte. Wir hatten aber noch viel bessere Stücke gehabt, die wir aufnehmen wollten, als alles den Bach runterging. Als Tilly starb. Scheiße. Wie lange war es mir gelungen, daran nicht mehr zu denken? Scheiße.
"Sie hat drei, vier Stücke ausgesucht, die ihr besonders gefallen hatten. Und gefragt, ob noch mehr von uns existierte."
"Du hast ihr doch wohl hoffentlich nicht die Probenmitschnitte vorgespielt?"
Er wusste genau, warum er das nie hätte tun dürfen. Wir hatten eine Vereinbarung getroffen.
"Alter, es tut mir leid. Ja, ich habe ihr das Material fürs zweite Album vorgespielt. Das hat ihr besser gefallen, vor allem..."
""Dawn"."
"Ja, "Dawn"."
Das Lied, das ich für Tilly geschrieben hatte. Meine Entschuldigung dafür, sie so oft alleine gelassen zu haben. Mit ihren Ängsten. Mit ihren Problemen. Ihren schweren Depressionen.
Das wir aufnahmen, als sie sich das Leben nahm. Während sie vier Tage mit dem Tode rang, bis ihr Körper und die Ärzte aufgaben. Und ich war ...