Die Dame im Cafe
Datum: 31.03.2020,
Kategorien:
Reif
Auch noch heute, fünf Jahre später, denke ich an die damaligen Ereignisse mit einem gewissen Kopfschütteln, einem beklemmenden Gefühl der Verunsicherung zurück.
Mich hatte an jenem Tag im Vorfrühling mal wieder dieser mir bekannte Heißhunger auf Kuchen und Torten gepackt. So beschloss ich kurzum, unserem kleinen örtlichen Cafe einen Besuch abzustatten. Die Dame am Tresen staunte nicht schlecht, als ich gleich drei Tortenstücke, Käse-Sahne, Schwarzwälder Kirsch und Johannisbeere mit Baiser sowie einen großen Pott heiße Schokolade mit Sahne bestellte.
Mein Tischchen stand direkt am Fenster. Das hatte zum einen den Vorteil, dass ich einen guten Blick auf die Fußgängerzone mit all ihrem Trubel hatte. Darüber hinaus strahlte die Nähe zur Glasscheibe eine gewisse Wärme aus. Das gab einen Vorgeschmack auf die bevor stehende Frühlingszeit.
Schon bald erschien ein junges Ding, kaum dem Schulalter entwachsen, und trug die bestellte Ware etwas unsicher schaukelnd zu meinem kleinen Cafetisch. Die Marmorplatte des Tischs oder vielleicht nur das Tablett schepperten ein wenig, als die junge Frau meine Bestellung absetzte.
Sie war höchstens achtzehn oder neunzehn Jahre alt und durchaus passabel anzusehen. Ihre Figur war schlank, wenn mich auch ihre ausladende Hüftpartie nicht gerade ansprach. Dafür zeigte sie ein breites Lächeln aus feinen, nicht geschminkten Lippen. Ihre dunklen Augen glänzten. Als sie sich nieder bückte, spannte die weiße Bluse ein wenig. Das lag wohl weniger ...
... an ihrer Oberweite, sondern war eher darauf zurück zu führen, dass das Kleidungsstück ein Nummer zu klein war.
Beim Weggehen warf ich noch einen kurzen Blick auf ihre Beine, die mir ein wenig zu kurz und an den Fesseln zu dick erschienen. Dennoch. Sie war freundlich. Ich würde ihr ein größeres Trinkgeld geben. Von dem kleinen Einkommen in Höhe des Mindestlohns könnte die junge Frau kaum größere Sprünge machen.
Mit diesen Gedanken schaufelte ich den süßen Kuchen ohne Pause in meinen Mund. Das war dem Heißhunger geschuldet. Das letzte Stück, die Käse-Sahne, musste warten. Ich hatte mir vielleicht doch ein wenig zu viel vorgenommen.
Während dieser Pause schweifte mein Blick zunächst über die Fußgängerzone. Es gab nichts Aufregendes zu erblicken. Dann schaute ich mich im Cafe um. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass am Nebentisch eine Frau ganz alleine Platz genommen hatte.
Ihr Anblick zog mich sofort in den Bann. Diese Frau elektrisierte mich. Ihre blauen Augen klebten sich an meine, schienen mich wie Laserstrahlen zu durchleuchten und mich dabei auf meinem Thonet-Cafestuhl zu fixieren.
Das war keine beliebige Besucherin eines Cafes. Das war eine Dame. Sie strahlte Würde, Erhabenheit, aber auch eine besondere Art von hochmütiger Noblesse aus, wie ich sie früher in alten Schwarz-Weiß-Filmen bei Schauspielerinnen gesehen hatte.
Ihr Blick fesselte mich. Ich musste mich zwingen, wieder auf meinen Kuchenteller mit dem Tortenstück zu schauen. Ganz verschämt wagte ich ...