Nach Hochmut kommt Fall und dann die ganz große Liebe
Datum: 18.12.2020,
Kategorien:
Romantisch
Die Anzeige von Anrufbeantworter blinkt und ich höre ihn ab. "Ich wollte dir nur mitteilen, dass deine Tante Marie verstorben ist und die Beerdigung am 22.06. um 14.00 Uhr bei uns auf dem Friedhof stattfindet." Kein weiterer Hinweis, keine Telefonnummer. Sofort versuchte ich auf der Telefonnummer meiner Tante jemand zu erreichen, schließlich hatte sie ja drei Kinder und vielleicht habe ich Glück, dort zufällig jemand zu erreichen. Aber Fehlanzeige.
Über das Internet, den sozialen Medien und Telefonbuch versuchte ich mit meinem Cousin oder den beiden Cousinen in Kontakt zu treten. Dies scheiterte ebenfalls. So beschloss ich am 22.06. die knapp 800 Kilometer auf mich zu nehmen um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Leider konnte ich nirgends ein Zimmer für 1 bis 2 Nächte bekommen, weder über Booking.com noch auf Direktanfrage in den einzelnen Hotels. Dennoch hatte ich die Hoffnung zumindest für eine Nacht irgendwo unterzukommen.
Es war mir extrem wichtig, denn Tante Marie war mein ein und alles. Bereits als Kind verbrachte ich meine Ferien bei ihr. Schon in der DDR war ich ein privilegiertes Kind, denn ich hatte Westkaugummi, Faserstifte, einen Taschenrechner und original Jeans. Später dann als ich dann verheiratet war, standen gegenseitige Besuche auf der Tagesordnung. Wir zeigten ihnen den Osten und sie uns das Rheinland.
Auch zu ihren Kindern hatten wir einen losen Kontakt. Die beiden großen, Sybille und Frank waren mindestens 10 Jahre älter als ich und der ...
... Nachkömmling, die Claudia wird jetzt Anfang der Fünfzig sein, also 4-5 Jahre älter als ich. Sie war in meinen Augen ein verwöhntes Dreckstück. Sie ließ mich so richtig spüren, dass ich ein "zurückgebliebener Ossi" war. Dabei hatte ich Abitur, hatte ein abgeschlossenes Informatikstudium und hatte schon damals begonnen meine eigene Firma aufzubauen. Onkel und Tante ärgerte dies sehr, so dass es immer wieder zu Auseinandersetzungen kam und schließlich diese Cousine nicht mehr anwesend war, wenn wir zu Besuch waren.
Auch nachdem meine Frau verunglückte und ihr Mann im stolzen Alter von 89 Jahren verstarb, riss unsere Verbindung nicht ab. Ich besuchte sie noch zweimal bis jetzt diese Hiobsbotschaft kam. Und darum sah ich mich auch verpflichtet, zu ihrer Beisetzung zu fahren.
Von unserem Gärtner habe ich noch einen wunderschönen Grabstrauß aus vierzig weißen Rosen binden lassen. So erschien ich am 22. Juni zur Beisetzung auf dem Friedhof. Ihr Sohn und die große Tochter waren mit ihren Kindern ebenfalls anwesend. Aber wo ist Claudia? Habe ich etwas verpasst? Ist dem Scheusal etwa auch etwas passiert?
Nach der Beisetzung wurde ich zur Trauerfeier eingeladen, aber irgendwie bemerkte ich, dass ich unerwünscht bin. Frank hat mich sogar gefragt, was ich hier wolle und woher ich es weiß, dass Maria gestorben ist, sie hätten nichts verlauten lassen und zu erben gäbe es sowieso nichts. Daraufhin war ich so erbost, dass ich die Trauergemeinde verließ. Was ist bloß mit dieser Familie ...