1. Die Richterin Teil 4


    Datum: 21.08.2021, Kategorien: CMNF

    Nachdem sie den Kellerraum verlassen hatte, musste sich Maria für einen Moment an der Wand abstützen. Es war vorbei, sie hatte es überlebt, dachte sie. Sie fühlte sich schwach und erschöpft und hatte Angst im nächsten Augenblick zusammenzubrechen. Sie gönnte sich noch eine Minute Pause, in der sie einfach mit geschlossenen Augen da stand. Dann gab sie sich einen Ruck und machte sich auf den Weg zu ihrem Büro. Als sie mit zitternden Beinen die Treppe hinaufstieg, die sie vor einer knappen Stunde mit Drenker hinabgegangen war, kam es ihr vor, als würde sie aus einem dunklen Schattenreich wieder in das helle Licht der Wirklichkeit zurückkehren.
    
    Verwundert schaute Martin sie an, als sie ihr Büro betrat. Wo sie denn gesteckt hätte, er hätte schon überall nach ihr gesucht, fragte er sie. Sie hätte etwas in der Registratur nachschauen müssen, wäre aber nicht fündig geworden, log sie ihn an. Und weil die Luft dort so stickig gewesen sei, hätte sie eben noch kurz eine Runde um den Block gedreht. Aber viel hätte das nicht genutzt, sie fühle sich immer noch ein wenig unwohl und würde jetzt nach Hause gehen, um sich ein wenig hinzulegen. Die letzten Tage waren vielleicht doch etwas zu viel gewesen, fügte sie hinzu. Martin schaute sie besorgt an. Ob ihr irgendetwas fehle oder sie bedrücke, fragte er und bot ihr an, sie nach Hause zu fahren.
    
    Nein, nein, wehrte Maria ab, sie hätte es ja nicht weit und er möge ihr nicht böse, aber sie wolle im Moment nichts lieber als alleine sein. ...
    ... Martin war aufgestanden und trat dicht vor ihr. Er zog sie an sich, strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sagte dann mit warmer Stimme "Wenn ich Dir irgendwie helfen kann, dann sage es mir bitte, okay?" Maria nickte stumm und ging in ihr Büro. Sie suchte ihre Sachen zusammen und rief Claudia an, um ihr Treffen für heute Nachmittag abzusagen. Nach neuen Mails wagte sie nicht zu schauen. Sie fuhr ihren Rechner herunter, verabschiedete sich von Martin und ging.
    
    Als sie zu Hause ihre Tasche auspackte, hatte sie auf einmal die Feder, die Drenker ihr gegeben hatte, in der Hand. Sie hatte die Klappe zum Müllschlucker schon geöffnet, um sie hineinzuwerfen, als sie sich auf einmal anders besann und sie wieder zurück in ihre Handtasche steckte.
    
    Am nächsten Morgen klopfte ihr das Herz bis zum Halse, als sie Drenker in der Poststelle gegenüber stand.
    
    "Na, dann wollen wir mal seh'n, wie das Verhältnis zwischen richtig und falsch verteilter Post heute ausgefallen ist", sagte sie und bemühte sich, ihrer Stimme einen forschen Klang zu geben.
    
    "Lassen Sie sich überraschen", antwortete Drenker und schaute sie mit einem abschätzigen Lächeln an.
    
    Der Unbekannte hatte ihr nicht geschrieben, wie Maria mit Erleichterung beim Durchsehen der Post feststellte. Mit einem verbissenen Eifer stürzte sie sich in die Arbeit und deckte Martin mit einer Unzahl von Aufträgen zu, die allesamt eher gestern als heute erledigt sein sollten. Aber so sehr sie sich auch in die vor ihr liegenden ...
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