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Lindenstraße Teil 1
Datum: 27.10.2021, Kategorien: Schamsituation
„ Also dann bis heute Abend bei Alfredo. Ich hol Dich um 19:00 Uhr ab!“ „Okay tschüss Süße, bis dann!“ Helga legte auf. Sie hatte noch genügend Zeit sich für den heutigen Abend fertig zu machen. Noch zwei Stunden bevor ihre Tochter Annina sie abholen würde. Seit den letzten drei Jahren waren solche Anrufe normal. Helga und ihrer Tochter unternahmen viel gemeinsam. Die letzten drei Jahre! So lange war sie nun schon von Jürgen geschieden. Jürgen! Dieses Schwein! Er hatte es geschafft ihre geliebte Tochter aus dem Haus zu treiben. Jürgen! Er hatte ihr so oft weh getan. Nicht nur körperlich was die Ausnahme war. Nein! Vielmehr seine zu tiefst beleidigende Art war es, die sie Stück für Stück zersetzt hatte. Ihre aufrichtige Liebe mit Füßen tretend. Jeden Abend diese perverse Show des Hasses. Eine perfekte Familie wollten sie sein. Ja! Nach außen. Da sah alles wunderbar aus. Das tolle Haus, teures Auto, gespielte Idylle bei Festen. Aber drunter? Hinter den Kulissen? Eine Freakshow die mit jedem Tropfen Alkohol ausartete. Du musst zu ihm stehn! Die Familie! Alles wird einmal besser werden! Denkste! Mit jedem Jahr wurde es schlimmer. Annina hatte nie ein Blatt vor den Mund genommen und dies mit mancher Ohrfeige bezahlt. Aber sie war frei. War es immer gewesen. Frei! Das war Helga jetzt auch. Frei! Ihr eigenes Leben bestimmend. Frei! Mit jeder Pore das Leben da draußen inhalierend. Stolz! Stolz war sie auf ...
... ihre Tochter. Stolz! Stolz darauf dass dieses zarte Wesen mehr Mumm in den Knochen hatte als sie selbst. Stolz aber auch auf sich! Denn sie hatte den Absprung geschafft! Seit ihrer Scheidung stand Annina an ihrer Seite. Hatte den Umzug in die kleine Wohnung organisiert. Mit ihren Freunden. Nahm ihre Mutter an die Hand. Ein neues Leben! So sehr Helga an dem Haus und dem Garten hing, so sehr waren doch die Gedanken an all das Leid verbunden. Nein! Um keinen Preis wollte sie wieder dahin zurück. Sie genoss das neue Leben. Mitten in der großen Stadt. In der Nähe zu dem Verlag wo sie arbeitete. In der Nähe zu ihrer geliebten Tochter, der sie so viel zu verdanken hatte. So vieles hatte sich verändert. Annina brachte sie auf andere Gedanken. Nein! Sie hatte bei dem Programm, was Annina ihr auferlegte, gar keine Zeit an früher zu denken. Während Helga früher brav auf der Couch saß und sich das Gezetere des Ehemanns anhören musste, hatte ihre Tochter ihr nun eine Kur verpasst. Alles was einer geschundenen Seele gut tat, stand nun auf dem Tagesprogramm. Angefangen mit Shoppingtrips in die Altstadt über gemeinsame Clubabende bis hin zu einer Mitgliedschaft im Fitnesscenter. Nicht das Helga unansehnlich gewesen wäre. Nein. Aber zeigten ihr die vielen Stunden beim Sport und der viele Schweiß doch was sie an sich ändern konnte. Auf jeden kleinen Erfolg war Helga stolz. Hörte sie damals von Jürgen nur wie schlimm sie aussah, hatte sie nun ein ...