1. Daniel 1+2


    Datum: 10.04.2019, Kategorien: Insel der Scham,

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    Geschafft!, dachte ich, ließ meinen Koffer in einer Ecke stehen und warf mich auf das breite Bett. Es war genau so bequem, wie es aussah, mit den ganzen weichen Kissen darauf. Mein neues Zuhause! Zumindest für die nächsten zwei Wochen. Ich ließ meinen Blick durch das Hotelzimmer gleiten. Es war nicht sehr groß, aber auch nicht beengend. Kleiderschrank, Kühlschrank, Fernseher, ein Schreibtisch, auf dem ein Telefon und ein paar Infobrochüren lagen, und sogar ein Sessel, auf den ich schon achtlos meine Jacke geworfen hatte. Als mein Blick aus dem Fenster fiel, wusste ich, dass sich die viereinhalb Stunden Fahrt gelohnt hatten.
    
    So langsam begann ich, meinen beiden Schwestern wirklich dankbar zu sein. Sie hatten mir die zwei Wochen All Inclusive in diesem wunderschönen Wellnesshotel mitten in den Bayerischen Alpen zum 25. Geburtstag geschenkt. Sie hatten gesagt, ich müsste dringend mal eine Auszeit nehmen und etwas entspannen. Und dass sie damit mehr als recht hatten, wussten sie schon, bevor ich es wusste. Ich hatte noch nie etwas vor ihnen geheim halten können. Ich war mit Abstand der jüngste von uns drei Kindern, meine Schwestern waren jetzt schon 32 und 30 Jahre alt und standen mitten im Leben. Kathi, die ältere von beiden, war in die Fußstapfen unseres Vaters getreten. Vor zwei Jahren hatten sie ihre Facharztausbildung abgeschlossen, seitdem in der Praxis unseres Vaters gearbeitet und würde diese spätestens nächstes Jahr selbst übernehmen. Marie hatte Wirtschaft ...
    ... studiert und arbeitete sich gerade in einem Automobilkonzern immer weiter nach oben.
    
    Beide wussten im Grunde nichts darüber, was es bedeutete zu schreiben. Nun, sie hatten meine Ambitionen natürlich seit den ersten Schritten verfolgt. Sie hatten meine allererste Geschichte gelesen und alle, die darauf folgen sollten. Sie hatten mir geholfen, meine Kurzgeschichten an Geschichtenwettbewerbe für Jugendliche zu schicken, als ich erst 14 war. Und sie hatten mich zur Preisverleihung gefahren, als ich tatsächlich mal einen gewonnen hatte. Sie hatten mir geholfen, die Geschichten auszusuchen, die ich an die Hochschulen schicken musste, um mich zu bewerben. Nun, beim ersten Versuch wollte mich keine Schule haben, also haben sie mir im nächsten Jahr gleich wieder geholfen. Seit inzwischen drei Jahren studierte ich jetzt ‚Kreatives Schreiben‘. Die Lehrer dort sagten immer, man müsse sich erst mit Kurzgeschichten befassen, Romane kämen dann später. Alle meine Kommilitonen machten das auch so, aber nicht ich. Ich wollte Romane schreiben. Also begann ich gleich im ersten Semester mit meinem Erstlingswerk.
    
    Ich vergrub mich komplett in der Arbeit an meinem Buch. Ich arbeitete Tag und Nacht, das Studium erledigte ich eher nebenbei. Vor einem halben Jahr wurde ich fertig. Ich reichte es bei allen Verlagen ein, aber niemand wollte es haben. Mit Hilfe von Fördergeldern, die ich bei der Hochschule und an diversen öffentlichen Stellen beantragt habe, werde ich meinen Erstling wohl noch Verlegen ...
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