1. Carmen und die Winterräder


    Datum: 19.01.2024, Kategorien: Romantisch

    Carmen
    
    Erst hatte ich sie natürlich nicht erkannt. Und bis ich erkannte, wer sie WIRKLICH war, dauerte es noch ein wenig länger. Ich fuhr gerade mit meinem Wagen nach Hause, das heißt, ich wollte es, aber da stand dieser Wagen. Ich musste hier nach rechts abbiegen, aber der Wagen blockierte die Hälfte der Einfahrt in die schmale Straße. Kein Durchkommen. Der Wagen stand da und die Motorhaube war geöffnet. Das musste wohl gerade erst passiert sein, denn die hübsche Frau stand vor dem Auto und es hatte sich noch kein helfender Mann dazugesellt. Im ureigensten Interesse stieg ich aus und ging hin. Da stand sie also! Was für ein Zufall! Oder war es kein Zufall? Die Haare hatte sie diesmal anders. Immer noch ganz lang, diesmal aber gelockt. Ihr Blick war eine Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung. War es gespielt? "Na, will er nicht mehr?", fragte ich, und deutete auf den Motorblock. "Ganz plötzlich ging er aus. Verstehen sie was von ...? Ich kenne sie doch! Sie waren doch da auf dieser Präsentation des Projektes, Neubebauung Ecke Südring"? "Stimmt, nur leider kam ich zu spät. Auch mein Auto wollte nicht mehr, was aber an den 2 Millionen Autos davor lag". Sie schaute etwas erstaunt. "Man nennt es auch Stau". "Ach so", sagte sie, und strich sich das Haar nach hinten. Ich schaute auf ihren Hals, der nächste Blick ging auf die linke Hand, dann war ich mir sicher, wer vor mir stand. Ich ließ mir aber nichts anmerken.
    
    Ich schaute mir jetzt den Motor an. Früher hatte ich oft an ...
    ... Autos herumgeschraubt, aber das war Jahrzehnte her. Hier war es der Klassiker. Die Verbindung zwischen Verteiler und Verteilerkappe sah etwas schräg aus. Ich zog den Stecker ab und steckte neu. "Probieren sie mal jetzt"! Sie stieg wieder ein und startete den Motor. Mit sanftem Brummen sprang er an. Sie sprang aus dem Auto. "Sie sind mein Retter ... ohhhh". Sie sah meine Hand. Staub und auch etwas Öl. "Moment", sagte sie, beugte sich ins Auto, kramte in ihrer Handtasche, und holte ein Taschentuch heraus. Ein schlichtes weißes aus Stoff und unbenutzt. Sie gab es mir. Ihr Punktestand stieg von -100 auf -99 Punkte. Ich hasse Papiertaschentücher. Nicht nur dass sie die Umwelt verschmutzen, man kann sie oft nur ein einziges mal benutzen und bei starkem Schneuzen zerfetzen sie sofort. Ich wischte meine Hand daran sauber. Soll ich sie jetzt testen? Ich steckte es in meine Tasche. "Ich wasche es, dann gebe ich es ihnen wieder. Sie wollten sich doch sowieso mit mir treffen, oder"? Sie schaute ein wenig perplex. "Wollte ich wirklich"! "Sehen sie, ich auch. Heute geht es aber nicht. So schnell ist meine Waschmaschine auch nicht. Morgen im Napoli? Mögen sie italienisches Essen"? "Dafür könnte ich sterben". "Passt 19 Uhr"? "Perfekt. Ich werde da sein". "Na dann, gute Fahrt"! "Ach ja". Sie setzte sich ins Auto und düste los.
    
    Mir war klar, wer den Stecker gelockert hatte. Das war sie! Woher wusste sie, dass ich gleich um die Ecke kommen würde? War da ein Tracker an meinem Wagen? Oder hatte ...
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