Prosperos Revier
Datum: 21.04.2019,
Kategorien:
Romantisch
... sie eigentlich erst viel, viel später in anderen Situationen zu Gehör bekommen sollte.
Ihr Wohnzimmer war im Vergleich zum Rest der Wohnung schon etwas größer, aber immer noch recht klein. Dabei sehr gemütlich, sehr verspielt, und es wurde schnell klar, warum der Name ihres Katers aus Shakespeares "Der Sturm" stammte. Sie las offenbar leidenschaftlich gern, eine komplette Wand bestand nur aus Bücherregalen, die von oben bis unten voll waren. Ein kleines Zweisitzer-Sofa und ein Sessel. Wir setzten uns selbstverständlich zu dritt auf das Sofa.
"Möchtest du noch ein Glas?"
"Ja, gerne. Der ist wirklich hervorragend. Zur Not laufe ich nach Hause, und hole mein Auto ein andermal. Ist ja wirklich nicht weit weg."
Prospero ließ sich kurz von uns beiden kraulen, wobei wir das ziemlich gezielt mit Streicheln des anderen verbanden. Bekam er das mit? Auf jeden Fall richtete er sich nach kurzer Zeit zu unser beider Überraschung auf, sah uns kurz an, und verzog sich dann auf den Sessel. Wo er sich einrollte und die Augen schloss.
"Nanu? Was ist denn mit ihm?", versuchte ich mich ihrer längeren Erfahrung zu bedienen.
Sie seufzte.
"Es könnte der Weingeruch sein. René... hat ein Alkoholproblem. Unter dem wir beide gelitten haben."
Oh Scheiße. Mir wurde klar, dass ich nur sehr wenig oder fast nichts über sie wusste. "Er wurde oft aggressiv, wenn er getrunken hatte. Nicht oft körperlich, aber er wurde meist sehr laut, und hat Prospero manchmal regelrecht aus der ...
... Wohnung gebrüllt."
Oh mein Gott. Nicht oft. Er hat sie geschlagen.
"Ich weiß, wie das jetzt klingt. Aber... das ist nur ein Teil der Geschichte. Ich erzähle dir sicher irgendwann den Rest. Nur eines... Prospero hat sich mal auf ihn gestürzt, als er... mich in Gefahr sah. Hat ihn gebissen und gekratzt, bis er von mir abließ. Bekam dafür einen furchtbaren Tritt, schwere Prellungen. Das war einer der Gründe, warum wir uns getrennt haben. Wie gesagt, ich muss dir das alles nochmal im Zusammenhang erzählen, damit du es verstehst. Ich bin daran nicht unschuldig."
Irgendwas musste ich antworten, obwohl ich vor Entsetzen wie gelähmt und eigentlich sprachlos war.
"Das tut mir furchtbar leid. Das ist... unvorstellbar für mich, dass ein Streit so eskalieren kann."
"Wie gesagt, das ist nur eine Seite der ganzen Angelegenheit. Ich... werde wahrscheinlich eine Weile brauchen, bevor ich dir da mehr erzählen kann. Verstehst du?"
"Natürlich. Aber, das dein tapferer kleiner Kater da eingeschritten ist..."
"Ja. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir dieses Tier bedeutet. Und ich ihm. Aber dies zur Erklärung, warum er sich jetzt wahrscheinlich zurückzog. Es ist eigenartig, er reagiert stärker als alle anderen Katzen die ich hatte, oder kenne, auf Gerüche. Vielleicht war er in einem früheren Leben mal ein Hund."
"Das würde einiges erklären. Ach übrigens, das hast du vielleicht gar nicht mitbekommen, bei unserem letzten Essen hatte ich ihm als Garnierung Petersilie um das ...