1. Lisa, Fluch oder Segen


    Datum: 28.05.2019, Kategorien: 1 auf 1,

    ... gedacht habe, aber ich glaube, ich war einfach nur glücklich.
    
    In der folgenden Nacht wachte ich auf, war auf einmal hellwach, konnte nicht mehr einschlafen. Lisa lag weiter von mir weg und bewegte sich nicht. Ich hörte ihr gewohntes Atmen und wusste, dass sie fest schlief. Vorsichtig stieg ich aus dem Bett, wollte sie nicht wecken.
    
    Leise schlich ich mich ins Bad und erledigte, was ich erledigen wollte. Auf dem Rückweg übermannte mich die Neugierde. Es war ein günstiger Zeitpunkt einen weiteren Blick in Lisas Tagebuch zu tun. Also ging ich in mein Arbeitszimmer, nahm die entsprechenden Seiten aus dem Schreibtisch und knipste die Lampe an. Einen Moment später hatte ich die Stelle wiedergefunden, die an der ich hatte aufhören müssen. Gespannt und neugierig zugleich las ich weiter.
    
    Zuerst kam nichts Interessantes. Es ging um Bekannte und Verwandte von Lisa, die ich keine Beachtung schenkte. Doch dann kam ich an eine Stelle, die mich in ihren Bann zog.
    
    "Ich habe Mama und Papa heute ausdrücklich erklärt, dass es für mich nur einen Mann im Leben gibt, nämlich Ingo. Papa hat gesagt, dass ich verrückt wäre, dass er das nicht zulassen würde, fragte, wie ich überhaupt auf diese Idee kommen würde. Ich habe ihm gesagt, dass ich Ingo liebe, dass ich mit ihm zusammen sein möchte, mit ihm Schlafen und Kinder mit ihm haben möchte.
    
    Papa ist ausgerastet, er hat mich das erste Mal in meinem Leben angeschrien, hat mir damit gedroht, mich für den Rest meines Lebens einzuschließen, ...
    ... zumindest so lange, bis ich zur Vernunft gekommen bin. Daraufhin habe ich in nur böse angeschaut und gesagt, dass ich mich nicht einsperren lasse. Wenn nicht Ingo, dann würde er erleben, wie seine Tochter sich jedem hingibt, der ihr über die Füße läuft. Das hat Papa den Rest gegeben. Er hat kein Ton mehr gesagt, hat sich nur umgedreht und ist gegangen.
    
    Mama war ebenfalls aus dem Häuschen, hatte aber bis dahin nichts gesagt. Sie hat es dann noch einmal im Guten mit mir versucht, hat mir erklärt, dass Ingo nicht der richtige ist und alles Mögliche andere, aber ich bin standhaft geblieben, habe immer wieder wiederholt, dass ich es will und mich niemand davon abhalten wird.
    
    In den nächsten Tagen habe die beiden es aufgegeben, mich bekehren zu wollen. Ich würde sagen, sie haben resigniert. Besser ist das. Jetzt muss ich nur noch Onkel Ingo dazu bringen, in mir mehr zu sehen, als den kleinen Bücherwurm, der bei ihm herumhockt. Heute wollen wir an den See zum Angeln. Mir ist dazu etwas eingefallen. Mal sehen, ob Onkel Ingo darauf anspringt!"
    
    Hier legte ich die Seiten beiseite. Wie schon gedacht, hatte Lisa es alles geplant und man musste ihr lassen, dass sie es geschafft hatte zu bekommen, was sie wollte. Mich.
    
    Ich hob die Seiten hoch, wollte aber nicht mehr darin lesen. Was weiter geschehen war, kannte ich selber. Langsam zerriss ich die Seiten und das leise Geräusch drang an meine Ohren. Gerade als ich die letzte Seite in tausend Stücke zerriss, ging die Tür leise auf ...