1. Vom Leben gezeichnet


    Datum: 02.09.2019, Kategorien: Sonstige,

    ... Akzent. "Olga Martinowa." "Ja, Henke hier, Jan Henke. Ich rufe an wegen des Aktmalkurses und ich..." Sie unterbrach ihn: "Tut mir Leid Herr Henke, aber der Kurs ist ausgebucht." "Oh", er war ein wenig perplex und schwieg einen Moment und bevor er weitersprechen konnte, sagte sie: "Wenn jemand abspringen sollte, melde ich mich bei Ihnen. Ist das in Ordnung für Sie?" "Ja," sagte er stockend, "klar" und im nächsten Moment hatte sie aufgelegt.
    
    Was war das denn, fragte er sich. Aber gut, was hatte er erwartet. Wenn er es sich recht überlegte, war es eine spontane Schnapsidee gewesen. Er hatte noch nie im Leben freiwillig was gemalt, hatte auch gar kein Equipment dafür. Und dann gleich bei einer richtigen Künstlerin ein Kurs zu belegen, kam ihm plötzlich reichlich unüberlegt vor. Sie machte das wahrscheinlich jeden Tag und konnte es sich leisten, nicht jeden nehmen zu müssen. Obwohl, in der Zeitung stand, dass sie seit zwei Jahren Witwe ist und ihr Mann ein angesehener Professor an der hiesigen Uni war. Vielleicht hatte sie es doch nicht so üppig wie gedacht. Aber egal. Das hatte sich jetzt wohl erledigt. Er nahm einen Stoffbeutel aus dem Schrank und machte sich auf den Weg zum Discounter, die Angebote einholen.
    
    Als er mit dem vollen Beutel fast wieder seine Wohnung erreicht hatte, klingelte sein Handy. Auf dem Display eine unbekannte Nummer. Völlig atemlos keuchte er. "Ja?"
    
    "Aahh, gut gut, Herr Henke. Schön, dass ich sie erreiche. Es ist leider immer noch kein Platz frei ...
    ... geworden, aber ich habe ein anderes Angebot für Sie." Jan runzelte die Stirn. "Was für ein Angebot?" "Nun, das Modell hat abgesagt." "Welches Modell?" Jan stand ein wenig auf dem Schlauch. "Na das Aktmodell." Jan verstand immer noch nicht. "Wer?"
    
    "Lieber Herr Henke. Ich bitte Sie, seien Sie das Aktmodell für meinen neuen Kurs!" sagte sie mit einem etwas flehenden Unterton.
    
    "Ich? Aktmodell?" Jan sah an sich hinunter. Sein dicker Bierbauch, der das billige Shirt straffte, darunter die Jogginghose und die billigen Turnschuhe. "Ich weiß nicht", murmelte er. "Ich denke, ich bin eher nicht der richtige dafür und..." Sie unterbrach ihn wieder. "Aber Herr Henke. Ich höre starken Zweifel in ihrer Stimme. Bedenken Sie, wir wollen Menschen malen, so wie sie sind. Sie brauchen sich für nichts zu schämen. Und noch etwas. Ich würde Sie natürlich auch entsprechend entlohnen. Na was sagen Sie?"
    
    Puh, das musste er erstmal kurz sacken lassen. Er als Nacktmodell, von anderen intensiv beguckt und jedes Detail auf Papier festgehalten? Aber auf der anderen Seite, was sollte schon passieren? "Ok", sagte er spontan. "Ich helfe Ihnen." "Oh, fantastisch", hörte er Frau Martinowas nun hell klingende Stimme. "Ich verspreche Ihnen, dass wird auch für Sie ein unvergessliches Erlebnis. Ich schicke Ihnen noch meine Adresse und die Zeiten per SMS. Vielen Dank und bis dahin." Und schwups, hatte sie wieder aufgelegt.
    
    Jan stand noch immer im Treppenaufgang und starrte sein Handy an. Na das konnte ja ...
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