1. Sterne


    Datum: 09.12.2019, Kategorien: Romantisch

    ... war ihre einzige Reaktion.
    
    "Du hast die ganzen Texte geschrieben?", wollte sie nach einer kurzen Pause wissen. Kein anderer wagte sich in das Gespräch einzumischen, obwohl Helge etwas unruhig hin und her wippte.
    
    "Ja, das war aber bevor ich richtig Englisch konnte. Dementsprechend quer sind einige von ihnen. Ich hab gern lange, eindrucksvoll klingende Worte verwendet, ohne wirklich zu wissen, was sie bedeuteten und wie man sie tatsächlich einsetzt."
    
    "Verstehe. Du hast in London gelebt?"
    
    "Ja, fast zehn Jahre. Warum?"
    
    "Ich auch."
    
    Na, sicher nicht zu meiner Zeit. Mir fiel auf, dass ich ihr Alter gar nicht einschätzen konnte. Sie hätte Anfang oder Mitte zwanzig sein können. Diese Abgeklärtheit schien eher auf dreißig zu deuten. Was für eine ungewöhnliche Frau. Die mich immer mehr verwirrte.
    
    "Können wir die Texte zusammen durchgehen?"
    
    "Jetzt? Meinetwegen."
    
    "Nein. Ein anderes Mal. Bei dir?"
    
    "Warum?"
    
    "Es ist besser so."
    
    Das verrückte war, rational waren ihre Äußerungen überhaupt nicht verständlich. Emotional nahm ich alle Zwischentöne und Bedeutungsfelder in mich auf wie ein Schwamm. Und wusste ganz genau, was sie sagte. Sie spürte meine Zustimmung selbstverständlich. Trotzdem verbalisierte ich sie.
    
    "Okay. Wann passt es dir?"
    
    "Freitag. Ich komme zu dir. Ich habe deine Adresse." ___
    
    Zwei enttäuschende Nächte. Von wegen klar. Wettervorhersage auf der Seite, die ich vornehmlich nutzte, praktisch in Echtzeit angepasst. Also nur bestätigt, ...
    ... was man tatsächlich am Himmel sah. Nämlich nichts. Wolken.
    
    Neben meinem Teleskop stand seit gestern mein Gitarrenständer, auf dem meine Geliebte ruhte. Mit der ich Tilly um ihr Leben betrogen hatte.
    
    Eine schwarze Schecter semi-acoustic, also eine E-Gitarre mit einem flachen Resonanzkörper, ein Hybrid, das Beste aus beiden Welten. Ein Einzelstück, für mich direkt vom Gitarrenbauer angefertigt. Seit dem Vortag mit neuen Saiten und immer noch absoluter Bundreinheit.
    
    Daneben der kleine Übungsverstärker, den ich ebenfalls am Vortag angeschafft hatte. Und ein Multi-Effektgerät, dessen Möglichkeiten ich noch nicht einmal ansatzweise begriffen hatte, weil es einfach zu viele Optionen und Programmiermöglichkeiten gab.
    
    Die Niederlage gegen die Musik und sie, als ihre Inkarnation, war ohnehin schon perfekt. Missmutig starrte ich auf die entzündeten Fingerkuppen meiner linken Hand. Es würde einige Zeit dauern, bis die Hornhaut sich bildete und ich dem Umfang spielen konnte, wie ich wollte. Noch länger, bis die Kraft und Geschmeidigkeit in beide Hände zurückkehrte.
    
    Das Lied, das mir im Übungsraum eingefallen war und mich bis in den Schlaf verfolgt hatte, war so gut wie fertig. Die Phrase, der Aufhänger, war natürlich schon tausendmal in Songs verwendet worden. Das machte nichts. Mit ihrer Stimme, meiner Musik, würde es trotzdem etwas Einzigartiges werden. Trotzdem war ich mir unsicher, ob ich ihr das Stück schon jetzt vorspielen sollte.
    
    Warten. Wir hatten keine Zeit ...
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