1. Gelegenheit im Zug


    Datum: 13.02.2020, Kategorien: CMNF

    (2. Versuch, nachdem der erste gründlich schiefgegangen war wegen fehlenden Absätzen)
    
    Langsam ging ich den Gang entlang. Ich befand mich in einem ICE, der noch eine knappe Stunde bis zur nächsten Haltestation benötigte. Nur wenige Gäste nutzten diese Reisemöglichkeit zu so später Stunde. Im letzten Waggon befand sich das Bordrestaurant, in dem sich eine Gruppe älterer Herren ein Bier gönnte. Links vor mir saß eine Frau an einem Viererplatz und las ein Buch. Ich ging langsamer und musterte sie. Knapp vierzig, schulterlange braune Haare, sehr gepflegtes Äußeres. Sie sah gut aus. Leider saß sie im falschen Abteil.
    
    Die automatischen Türen öffneten sich und ich betrat den nächsten Waggon. Der Gang führte auf der rechten Seite an der Fensterfront entlang. Links befanden sich die Gruppenabteile, in denen man etwas Privatsphäre haben konnte, auch wenn es kleine Fenster in den Türen gab. Ich war aufgeregt. Hier würde sich entscheiden, ob der Abend ein Erfolg werden würde. Ich überprüfte den Sitz der kleinen Kamera, die an mein Jackett in Brusthöhe angenäht war. Ein kurzer Blick auf mein Smartphone genügte, um sicher zu sein, dass das Bild übertragen wurde. Zeit, loszulegen! Die ersten zwei Abteile waren ein Reinfall. Im ersten saß ein junges Pärchen, das vor sich hin döste. Das zweite Abteil war leer. Grinsend schaute ich durchs Fenster der dritten Tür. Eine Frau, vielleicht 30, lümmelte mit überkreuzten Beinen auf der Sitzreihe. Eine enge Jeans betonte ihre schlanken Beine. ...
    ... Sie trug eine Bluse mit verschlossenen Ausschnitt, ein buntes Halstuch und dezenten Schmuck. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem kleinen Zopf nach hinten gebunden. Sie gefiel mir. Vorsichtig öffnete ich die Tür.
    
    Verwundet sah sie auf. "Hallo", sagte ich freundlich und setzte mich ihr gegenüber. Sie machte einen verwirrten Eindruck, kein Wunder, schließlich suchten sich die meisten Gäste in einem fast leeren Zug abgeschiedene Plätze, um allein zu sein.
    
    "Äh. Hi", sagte sie.
    
    "Ich sitze nicht gern allein. Das ist langweilig", sagte ich und bemühte mich, ein freundliches Gesicht zu machen. "Lieber nutze ich die lange Fahrt, um nette Leute kennenzulernen."
    
    Die Frau setzte sich nun aufrecht hin und strich ihre Bluse glatt. "So? Warum glauben Sie, dass ich nett bin?" Ihr Lächeln verriet, dass ihr die Situation nicht unangenehm war.
    
    "Wenn ich ehrlich sein soll, das wusste ich nicht, als ich eintrat", antwortete ich. "Ich habe nur eine wunderschöne Frau gesehen und mir gedacht, dass es eine Schande wäre, wenn diese Frau die ganze Zugfahrt allein verbringen müsste."
    
    Sie kicherte. "Danke. Das haben Sie nett gesagt." Nach einem kurzen Zögern erhob sie sich etwas und reichte mir ihre schlanke Hand. "Ich heiße Carmen."
    
    "Sehr erfreut. David", sagte ich. Während wir unsere Hände schüttelten schauten wir uns in die Augen und lächelten uns zu. Dann setzten wir uns wieder gegenüber hin, sie lehnte sich zurück und ich beugte mich etwas vor. "Also, Carmen. Ein schöner Name für ...
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