Zwölf Uhr Mittags
Datum: 28.03.2020,
Kategorien:
CMNF
Zwölf Uhr Mittags
Die letzten Tage waren ihm wie ein Traum vorgekommen. In kurzer Folge hatte das Parlament einige Gesetze erlassen, die sich Martin in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte. Ziel war die Förderung der Emanzipation oder so ähnlich, was dabei herausgekommen war, nachdem das Gesetz mehrfach nachbearbeitet wurde, hatte mit einer Gleichberechtigung der Frau aber mal gar nichts zu tun, sondern entsprach eher seinen fetischistischen Neigungen.
Diesen Freitag Mittag, Punkt zwölf Uhr sollte es jedenfalls soweit sein: ab diesem Zeitpunkt war Frauen nicht nur das Tragen, sondern der Besitz von den Körper bedeckenden Gegenständen untersagt. Das beinhaltete nicht nur Kleidung und Schuhe, sondern auch Accessoires wie Schmuck, Gürtel und dergleichen. Außerdem alles, das auch nur entfernt mit Make-Up zu tun hatte. Selbst das Färben der Haare oder eine Bettdecke waren ab diesem Zeitpunkt illegal.
Und als wäre das noch nicht fies genug hatten einige besonders findige Parlamentarier in einem Passus auch jegliche Rasur untersagt.
Einige Frauenrechtlerinnen hatten zwar bereits Beschwerde eingelegt, aber das Gesetz war auf ihre Initiative hin überhaupt erst angeregt worden, insofern standen die Chancen für eine schnelle Änderung eher schlecht. Die Allgemeinheit war jedoch der Meinung, dass sich ein solches Gesetz ohnehin nicht durchführen lassen würde und dass das Leben einfach so weitergehen würde wie bisher. Schließlich hingen ja jede Menge Arbeitsplätze von ...
... der Modebranche und der Kosmetikindustrie ab usw. Außerdem könnte man ja nicht in einer Hauruckaktion massenweise Kleidungsstücke konfiszieren.
Doch Martin wusste, dass bereits vorgesorgt worden war. In zehn Minuten würden jedenfalls jede Menge Frauen ganz schön dumm aus der Wäsche schauen. Bzw. sie hätten dann natürlich keine Wäsche mehr an. Das war auch der Grund, weshalb er sich heute in der Kosmetikabteilung des Kaufhauses aufhielt, denn hier arbeitete eine Frau, die er in Gedanken schon so oft ausgezogen hatte, dass er sich ihren Striptease einfach nicht entgehen lassen konnte. Sie stand einige Meter entfernt, sah einfach umwerfend aus in ihrem weißen Kittel und beriet zwei etwa zwanzigjährige Mädels bei irgendwelchen Parfüms. Eben lächelte sie ihm zu. Er lächelte zurück und tat so, als ob er sich für irgendwelche angebotenen Artikel interessieren würde. Dabei hatte er lediglich Augen für sie – er kannte nichtmal ihren Namen, aber ihre großen dunklen Augen und die streng zurückgebundenen schwarzen Haare machten die Kenntnis von Namen ja beinahe überflüssig. Heute würde er sie fragen, oft genug hatte er sich von ihr bereits dabei beraten lassen, sein Standardrasierwasser zu kaufen. Die musste inzwischen sowieso wissen, dass er auf sie abfuhr. Noch zwei Minuten bis High Noon…
Dort drüben stand wieder ihr Verehrer. Süß war er ja schon, aber irgendwie nicht normal. Sie hatte jedenfalls ständig das Gefühl, dass er sie in Gedanken auf das schändlichste missbrauchte oder ...