La Gioconda
Datum: 06.05.2020,
Kategorien:
Berühmtheiten,
Lisa rutschte auf dem unbequemen Stuhl herum, während der Maler vor ihr seine Utensilien arrangierte. Ihr Mann hatte beschlossen, ein Porträt von ihr anfertigen zu lassen, und natürlich kam dafür nur der berühmteste Künstler in Florenz, ja in ganz Italien, in Frage. Eigentlich graute ihr bei dem Gedanken, stundenlang Modell zu sitzen, aber sie mußte es wohl über sich ergehen lassen.
Als sie geheiratet hatten, war Lisa noch sehr jung gewesen. Damals war Francesco aufrichtig verliebt in sie. Die Hingabe des älteren Mannes hatte ihr geschmeichelt, und auch im Bett war ihre Ehe zunächst mehr als befriedigend. Sie war bei der Heirat noch Jungfrau und hatte sich nicht träumen lassen, zu welchen Höhen der Lust ein erfahrener Liebhaber wie er eine Frau bringen konnte.
Im Lauf der Zeit war seine Leidenschaft allerdings immer mehr abgekühlt. Nun, nach acht Jahren, tat er es höchstens noch einmal in der Woche mit ihr, und das nur um sein eigenes körperliches Bedürfnis zu stillen. Es dauerte kaum fünf Minuten, und an ihre Befriedigung verschwendete er keinen Gedanken.
Außerdem hatte er eine zunehmende Eifersucht entwickelt und verdächtigte sie ständig, Affären zu haben. Sie wünschte, er hätte recht. Es war zu lange her, seit sie einen Orgasmus erlebt hatte. Gleichzeitig schienen ihm die Blicke anderer Männer auf seine junge Ehefrau Genugtuung zu bereiten. Sie fühlte sich wie eine Trophäe, die er am liebsten an die Wand gehängt hätte, damit alle sie bewundern konnten. Da dies ...
... nicht möglich war, mußte es eben ein Gemälde von ihr sein.
Sie musterte den Maler. Es hieß, er sei ein Genie, nicht nur ein begnadeter Künstler, sondern ein Universalgelehrter, der allerlei technische Wunder geschaffen hatte. Vor sich sah sie aber nur einen kleingewachsenen Mann mit einem ergrauenden buschigen Bart. Er wirkte eher wie ein komischer Kauz als wie ein Genie, auch wenn sie in seinem Blick ein leidenschaftliches Feuer zu erkennen glaubte.
Außerdem sagte man, daß er homosexuell sei, und Lisa war überzeugt, daß dies der Wahrheit entsprach. Sie hatte gesehen, wie sein junger Gehilfe namens Salai die anderen Mitarbeiter der Werkstatt rüde herumkommandiert hatte. Dieses arrogante Verhalten konnte er sich nur leisten, wenn er mit dem Meister schlief. Er mochte etwa in Lisas Alter sein, wirkte aber mit seiner knabenhaften Figur und seinem engelsgleichen Gesicht jünger. Kein Wunder, daß der Künstler dieser jugendlichen Schönheit nicht widerstehen konnte.
"Ihr habt ein faszinierendes Gesicht", sagte der Maler zu ihr, als er mit dem Skizzieren begann. "Meint Ihr?" Eigentlich hatte sich Lisa nie besonders attraktiv gefunden. Sie hatte sich immer vollere Lippen gewünscht, ausgeprägtere Wangenknochen und größere Augen. "Ja. Ich glaube, dieses Porträt kann etwas ganz Besonderes werden. Aber...etwas fehlt noch." - "Was denn?"
"Euer Gesichtsausdruck. Ich brauche etwas, um dem Bild Lebendigkeit zu verleihen. Denkt an etwas Sinnliches." Lisa überlegte. Der Gedanke an den ...