1. Er


    Datum: 14.07.2020, Kategorien: Medien,

    ... Nicht zum Lesen, das konnte sie sehen. Er schnüffelte immer wieder in ihre Richtung. Roch sie schlecht? Nach Schweiß? Nein, sie roch nie nach Schweiß. Auch ohne Deo. Wenn man nichts verträgt außer Veilchenöl und Lavendel, ist es schwer, gut zu riechen. Sie bekommt immer Pickel, wenn sie was anderes nimmt. Doch er riecht nach … nichts. Nicht nach Aftershave, nicht einmal nach alten Socken, gar nicht. Sie hat es genau gerochen! Sie ging hinter ihm vorbei, als er noch auf dem Stuhl in der Bibliothek saß, er roch nach nichts, gar nichts.
    
    Jetzt sitzt er wieder da, auf seinem Ast. Sein Blick geht sicher zu ihr. Sie dreht die Wasserhähne zu, steigt in die dampfende Wanne und summt die Musik der CD. Lange darf sie nicht bleiben, in der Wanne, sonst geht er vielleicht. Er kann sie nicht sehen, so tief in der Wanne. Schnell waschen.
    
    Die Kerzen am Fenster flackern und rußen. Gleich kann er sie wieder gut sehen. Sie hebt ihm die Brüste entgegen. Schau! Komm her! Fass sie an! Sie will es so sehr! Sie spürt, wie die Spitzen sich erheben. Ein sanfter Schauer rieselt durch ihren Leib. Bitte, komm her! Warum kommt er nicht zu ihr? Sie wartet doch so sehr! Traut er sich nicht? Ist er zu schüchtern? Oder doch pervers? Egal, komm endlich! Es ist ihr egal, wer er ist! Sie hält es nicht mehr aus.
    
    Verdammt, das Telefon. Mutter! Immer im falschen Moment. Immer die gleiche Frage:Was gibt es Neues? Nichts! Was soll es hier schon Neues geben? In diesem Kaff.
    
    Sie schaut. Er sitzt da wie ...
    ... immer, nichts Neues. Er kommt nicht zu ihr!
    
    Nein, nichts Neues, Mama. Es geht mir gut. Sie wirkt genervt.
    
    Sie steht ganz nah an der Scheibe. Ja, er ist noch da. Oh, sie muss einen halben Schritt zurück! Das Licht! Er kann sie sonst nicht richtig sehen. Er soll sie aber gut sehen, er soll kommen! Sie will es, unbedingt!
    
    Nachher, wenn sie im Bett liegt, wach, dann wird er kommen. Wie jeden Nacht. Er wird wieder da sitzen, im Sessel und wieder nur schauen und denken, sie schläft tief und fest, wie ein Kind.
    
    Die Decke, sie wird sie wegstrampeln, scheinbar im Schlaf. Sie kann das gut, und sie ist wach. Er sitzt nur da. Komm! Hier, die Decke ist weg, sieh her! Fass sie an, los! Nein, er setzt sich vor das Bett, auf den Teppich, zu ihren Füßen. Sie dreht sich auf den Rücken. Er glaubt wirklich, sie schläft. Sie öffnet die Schenkel, langsam, immer weiter, Stück für Stück, nur für ihn. Seine Augen sind starr, genau da hin. Sie kann es erkennen, der Mond scheint heute hell. Bis jetzt ist jeder, jeder Mann schwach geworden, wenn sie ihm das zeigte. Alle sind sie gekommen, über sie, so gierig, befreit, endlich durften sie da hin, da hinein! Und er? Er kommt nicht! Warum? Warum ist er dann hier? Wie kommt er hier herein, so leise, ohne einen Laut?
    
    Oder riecht sie wieder nicht gut? Ist es das? Sie verträgt nun mal kein Parfüm. Nein, das kann es nicht sein.
    
    Was soll sie sonst noch machen, damit er zu ihr kommt? Sie endlich berührt, verführt, in sie kommt? Ihr fällt nichts mehr ...