Just Kidding Teil I
Datum: 28.09.2020,
Kategorien:
Schamsituation
... keiner mehr da, außer einem sehr kalten Wind, der durch den Bahnsteig pfiff.«
»Und wie kamst - «
»Dann bin ich in Richtung Hauptstrasse gegangen, auf der natürlich kein Schwein mehr unterwegs war, also bin ich einfach mal zu Fuß Richtung Brennero aufgebrochen.«
»Und dass du in ein Hotel - «
»Soviel Geld hatte ich nicht, haben ja schon die Tickets für den Zug ein Vermögen gekostet. Aber egal, ich hatte nach zwei Kilometern Blasen an den Füßen, kein Wunder bei den Ballerinas. Ich war inzwischen Mitten in der Pampas, es war stockdunkel und kalt, da hörte ich plötzlich ein lautes Brummen aus dem Wald neben der Landstrasse. Und schon an der nächsten Abzweigung schießt so ein Riesentraktor aus dem Unterholz. Beinahe hätte er mich überfahren!«
»Aber - «
»Was aber im Nachhinein ein echter Glücksfall war, denn das war so ein Typ vom Forstamt der mich dann sogar bis fast zur Grenze mitgenommen hat.«
»Mitten in der Nacht?«
»Der erzählte irgendwas von Wildkameras und Infrarot und dass er nachts kontrollieren müsse, ob die überhaupt noch funktionieren. Jedenfalls war ich dann am Brenner und siehe da, heute Morgen hab ich glatt einen netten polnischen
LKW-Fahrer
gefunden, der in die Richtung musste. Allerdings hat der hier seine Schlafpause
machen müssen, und naja so kam ich hierher, ganz allein, auf der Suche nach einer hilfsbereiten Seele!«
Sie grinste ihn verschmitzt an. Bastian musterte sie nun genauer, so fern das Autofahren es erlaubte: Erst ...
... jetzt fiel ihm auf, das sie etwas verhuscht aussah. Der geflochtene Kranz in ihrem dunkelblonden Haar war verrutscht, die Bluse nicht mehr so blütenweiß wie gedacht und die vorhin angesprochenen Ballerinas sahen ebenfalls arg mitgenommen aus; zumindest schien ihre abenteuerliche Geschichte im Groben also zu stimmen.
Sie schwieg eine ganze Zeit, dann fing sie an ihm Fragen zu stellen. »Sag mal, du sagtest du wolltest nach Griechenland, ist das nicht ein bisschen eine andere Richtung?«
»Ja schon, aber ich fahre übers Meer: Ab Ancona mit der Fähre Richtung Igoumenitsa und dann übers Hinterland nach Thessaloniki.«
»Hört sich weit an!«
»Is' es auch, drei Tage hin, drei Tage zurück.«
»Und Hannibal hält das aus?«
»Der is' hart im nehmen, hoffe ich!«
Sie lachte. Bastian nutzte die Gunst der Sekunde. »Sag mal, nicht das es mich was angeht, aber was willst du eigentlich in Florenz?«
»Oh, das ist kein Geheimnis, ich besuche meine Oma!«
»Ach du bist - «
»Ja, halb zumindest, Vater Italiener, Mutter Deutsche!«
»Und du kannst - «
»Natürlich, fließend - «
Er schwieg, irgendwie tat es ihm jetzt schon leid, wenn er sie in Verona rauslassen musste. Eine Unterhaltung schien ihm allemal besser, als dieses dröge einsame Herumfahren. Ohne Hannibal nahetreten zu wollen, aber wenn man sich unterhalten konnte
, vergingen die Zeit und das Fahren einfach schneller.
Er schaute sie wieder einmal an. Sie hatte wunderschöne tiefblaue Augen, die wie zwei Brunnen ...