1. Ein Engel in der Dunkelheit


    Datum: 17.11.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... führen", antwortete Leo mit ruhiger Stimme.
    
    "Nein. Willst du wissen, was ein Mann tut? Ein echter Mann setzt sich für seine FAMILIE ein! Ganz egal, weswegen! Du bist rumgestanden und hast zugeschaut, wie dein eigener Neffe zusammengeschlagen wurde. Das sagt verdammt viel über dich aus. Und wenn das Familie ist, dann will ich kein Teil davon sein."
    
    Ohne ein Wort stand er auf und verließ das Eßzimmer. Dann schnappte er sich seinen LMU-Kappe und ging zur Haustür. Als er in sein Auto steigen und losfahren wollte, sah er zu seiner Frustration, dass die Autos seiner Onkel in der Einfahrt hinter ihm geparkt waren und ihn blockierten. Er fluchte leise und bereitete sich darauf vor, zu Fuß zu gehen.
    
    „Konrad! Komm bitte wieder rein!", rief Helene ihm nach und rannte die Auffahrt hinunter.
    
    "Nein. Ich muss raus und mir den Kopf freimachen."
    
    „Konrad, es ist Heiligabend. Bitte komm mit zu deiner Familie."
    
    "Mama, abgesehen von dir, fühlt sich keine einzige Person in diesem Haus für mich an wie meine Familie", antwortete er kalt. "Ich werde... ich rufe dich nachher an..."
    
    *****
    
    Konrad ging in die kalte Nacht in Richtung Main, ohne genau zu wissen, wohin er gehen oder was er tun sollte. Niemand anderes war unterwegs, da sie alle mit ihren Familien zu Hause waren. Er erinnerte sich an den Platz in der historischen Altstadt von Würzburg und beschloss, in diese Richtung zu gehen. Vielleicht würde ihm der ruhige Spaziergang etwas Gutes tun.
    
    Als er auf dem Stadtplatz ...
    ... ankam, ging er ein wenig die Bürgersteige entlang und spähte in die dunklen Fenster der verschiedenen Geschäfte und Restaurants. Alles sah für ihn so aus, dass jeder an diesem Tag von der Straße war; es schien alles so friedlich. Als er weiterging, sah er bald das Rathaus in der Ferne. Vor dem Gebäude befand sich eine große Grünfläche, auf der überraschend viel los war, denn schließlich war Heiligabend. Konrad trat näher und erspähte nun eine große Ansammlung von Menschen, die auf Bänken, Sesseln und Gartenstühlen saßen, alle in dicke Mäntel und Jacken gehüllt. Vor ihnen projizierte eine große Leinwand den klassischen Film "It's a Wonderful Life".
    
    Public Viewing an Heilig Abend, dachte Konrad sarkastisch.
    
    Obwohl er eigentlich nie in Weihnachtsstimmung war, fühlte er sich seltsam angezogen, ein paar Minuten des Films aus der Ferne zu sehen. Er begann diese Entscheidung bald zu bereuen, als der Film den Punkt erreicht hatte, an dem George Baily seine Familie wütend angriff. Konrad sah zu, wie er sich betrank und in eine Kneipenprügelei verwickelt wurde und begann sich vor Wut krank zu fühlen. Trotz all seiner Bemühungen, die Welt um ihn herum besser zu machen, hatte sich das Universum gegen George Baily verschworen... genau wie es sich gegen Konrad zu verschwören schien. Da er keinen Moment mehr zusehen konnte, drehte er sich um und ging in den nahe gelegenen Park.
    
    Wieder allein mit seinen Gedanken saß er auf einer Bank in der Nähe des Brunnens in der Mitte des Parks. Er ...
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