Powerfrau
Datum: 07.04.2021,
Kategorien:
Romantisch
... das erste mal seit drei Monaten. Es flossen viele Tränen. Freudentränen, aber auch Sorgentränen. Es war ja noch längst nicht vorbei. Das Glück war, ihre Wohnung war ein Einfamilienhaus mit zwei Etagen, aber alles wichtige war im Erdgeschoss und auf der Rückseite war ein ebenerdiger Eingang für den Rollstuhl. Anna müsste erst einmal wieder gehen lernen, noch saß sie ja im Rollstuhl. Das würden sie in der Reha machen, die in einer Woche starten würde.
Wieder war ich gefragt, fast alle täglichen Dinge musste ich natürlich machen, das war für Anna unmöglich. Ich war kein Pfleger, aber als ehemaliger Rettungssanitäter hatte ich natürlich auch so einiges drauf. Anna zum Duschen herrichten und die Toilettengänge waren das schwierigste. Ja, und dann ging es ab zur Reha. Die würde vier Wochen dauern. Und eine Entscheidung stand an. Eigentlich stand sie schon fest. Aber das Gespräch musste ich machen und es lag mir schwer im Magen. Es war ... einige Tage vor der Reha. "Hör mal Anna, wir müssen reden". Wie immer, wusste oder ahnte sie schon, um was es ging. "Du willst weg"! Ihr Gesicht verfinsterte sich. "Ja, ich muss. Es ist nicht für immer, aber ich muss mich einfach mal freikämpfen, ein wenig Abstand gewinnen". In Annas Augen begannen Tränen zu kommen. "Anna, bitte verstehe doch, in der ganzen Zeit hab ich mich um Dich und um Joe gekümmert, aber jetzt muss ich mich auch mal um mich kümmern". "Ich bin dir ja auch sehr dankbar dafür, was du alles für mich und Joe getan hast. Aber ...
... trotzdem .. es tut weh, und ich bin traurig".
Ich schwieg erst, musste mir meine Argumente zurechtlegen. "Anna, wir sind geschieden. Du wolltest das so". "Ja ich weiß, aber...". "Was aber"? "Es kommt mir so vor, als habe ich mich neu in dich verliebt". "Es kommt dir so vor. Siehst du, und darum muss ich gehen. Nicht nur ich brauche Zeit und Abstand, sondern auch du. Du musst rausbekommen, ob es auch wirklich echt ist". "Ist es .. eine andere Frau"? "Nein Anna, da bist du auf dem Holzweg. Meine andere Frau heißt jetzt Afrika". "Du willst da immer noch hin"? "Klar doch, wollte ich doch schon vor deinem Unfall. Nur der hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht". Sie fiel regelrecht in sich zusammen. Nichts mehr mit Kampfeslust. Diese Unfallsache schien sie tatsächlich verändert zu haben, hatte sie nachdenklich gemacht. "Ich kümmere mich noch um Joe und besuche dich jedes Wochenende in der Reha, aber für kurz nachdem du zurückkommst, hab ich das Flugticket gebucht". "Es muss wohl so sein", sagte sie. "Wie lange"? "Ein Jahr", antwortete ich. Sie drehte sich weg, tat so, als würde sie jetzt in ihrem Buch weiterlesen, aber ich wusste, sie weinte jetzt leise. Ein ganz neuer Zug an ihr. Ich stand auf. "Ich bringe jetzt mal Joe ins Bett". Sie nickte nur.
Ihre Reha Zeit verging wie im Flug. Ich hatte wieder in meiner Apotheke angefangen. Meine Chefin hatte glücklicherweise Ersatz gefunden, wenn auch nicht so, wie es optimal wäre. Es war nur eine Halbtageskraft. Und dann, ja, ...