1. Mein persönlicher „LifeChangingSex“


    Datum: 24.01.2023, Kategorien: Erstes Mal

    ... an. Anstatt angemessen depressiv dreinzuschauen (so wie ich zum Beispiel), strahlte er ruhige Kraft aus. Seine Miene zeigte die Offenheit eines Kindes. Und Frieden. Frieden mit sich und dem Rest der Welt. Er sah mich so geradeaus an, als würde er sich wirklich dafür interessieren, wie es mir ging. Wer ich war.
    
    What the fuck?
    
    „Äh -- danke. Sag mal, was ist denn mit dir los?", brachte ich heraus.
    
    „Mit mir?" Er blinzelte. „Was soll denn mit mir sein?"
    
    „Du bist so... so..." Ich fand keine Worte.
    
    „Ach, du meinst, weil es mir jetzt wieder gut geht." Er lachte und strahlte mich an. „Das stimmt allerdings. Ich habe die Trennung von Giselle hinter mir lassen können."
    
    „Ehrlich? So schnell?" Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Na dann -- Glückwunsch!"
    
    „Du bist noch nicht soweit, hm?" Er musterte mich besorgt.
    
    Erneut wurde mir bewusst, dass ich in einer Jogginghose und einem alten T-Shirt vor ihm stand, ungeduscht und mitgenommen. Auch für einen Mann kein schöner Anblick.
    
    „Doch, doch." Das Grinsen auf meinem Gesicht fühlte sich verquer an. „Mir geht es auch bestens."
    
    „Aha." Er nickte, wenig überzeugt. Schon erwartete ich, dass er weiter nachhaken würde. Doch er zuckte nur die Schultern und sagte: „Da muss wohl jeder selbst durch. Aber falls du Hilfe brauchst: Schau mal im Internet nach der Praxis von Dr. Delia Mickels. Ich war letzte Woche bei ihr, und das hat... alles verändert."
    
    „Delia Mickels", nickte ich treuherzig. „Alles klar."
    
    Er kniff die Augen ...
    ... zusammen, so als ob ihm völlig klar wäre, dass ich ihn nur schnellstmöglich abspeisen und loswerden wollte. Dann nickte er und wandte sich mit einem letzten Blick um. „Pass auf dich auf, Ralf", hörte ich ihn noch. „Das hättest du schon vor sehr langer Zeit lernen sollen."
    
    Langsam schloss ich die Tür und sperrte den trüben Novembermittag wieder aus. Sehr seltsam! Mit einem Schulterzucken legte ich die Säge neben den Amazon-Karton auf den Schuhschrank. Die würde ich später aufräumen, irgendwann. Zusammen mit den Schuhen der letzten drei Wochen, die in einem unordentlichen Haufen vor dem Schrank lagen, in den sie gehörten. Einen Schrank, der jetzt zu zwei Dritteln leer stand.
    
    Mit einem Seufzer der Erleichterung schlurfte ich zurück in die Küche, pflanzte mich wieder auf den Barhocker und griff nach der Kaffeetasse. Noch heiß, glücklicherweise. Ich hasste lauwarmen Kaffee. Hm -- ob er wohl einen Schuss Wodka vertrug?
    
    Der Sonntag lag vor mir wie eine Wüstenlandschaft vor einem Langstreckenläufer. Schon hatte ich die Flasche aufgeschraubt und sog den feinen Alkoholhauch ein, zerrissen zwischen Sucht und Ekelgefühl. Dann schloss ich sie wieder und stellte sie beiseite.
    
    „Dr. Delia Mickels", murmelte ich vor mich hin. Der Ausdruck in den Augen meines Freundes ging mir nicht aus dem Kopf. Jemand, der gerade vor den Trümmern einer langen Beziehung stand, sollte nicht so dreinschauen. Durfte es nicht! Nicht mit diesem tiefen, inneren Frieden.
    
    Ein Griff nach dem Smartphone. ...
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