1. Ausgrabungen


    Datum: 22.02.2023, Kategorien: Reif

    ... passiert.
    
    Worum sorgte ich mich eigentlich, selbst wenn jemand aus den anderen Gruppen bemerkte, dass wir vertrauter miteinander umgingen, als das gewöhnlich zwischen Lehrkörper und Studenten der Fall war, war das schon ein Eklat, ein Skandal?
    
    Wir waren schon längst wieder auf den staubigen, touristenverseuchten Hauptweg zurückgekehrt. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nicht nur mir, sondern auch ihr die Antworten schuldig geblieben war. Ihre Exuberanz war verschwunden, sie wirkte plötzlich bedrückt. Das war vermutlich der Auslöser. Alle Gedanken waren plötzlich aus meinem Geist wie weggewischt.
    
    Ich blieb stehen, griff ihre Hand, zog sie langsam zu mir heran und küsste sie, zärtlich, vorsichtig, doch mit wachsender Selbstverständlichkeit und immer größer werdender Intensität. Ich kann nicht einmal sagen, wie lange wir dort noch engumschlungen standen, als sich unsere Lippen zögerlich voneinander lösten. Zeit und Raum verloren kurzzeitig jedwede Bedeutung. Ich strich ihr noch sanft über ihr gerötetes Gesicht und räusperte mich mühsam.
    
    "Wir sollten wohl... langsam zurück."
    
    "Okay."
    
    Ihre Stimme klang ebenfalls seltsam belegt. Ich hielt weiterhin ihre rechte Hand in meiner Linken, als wir uns auf den Weg machten. Erst kurz vor dem Tor zum Ausgrabungsgelände löste sie sich von mir, nestelte in ihrem Rucksack und holte ihre Zigaretten heraus. Dankbar nahm ich die angebotene Zigarette an. Wir zitterten beide etwas, als sie mir Feuer gab.
    
    Was ich in diesem ...
    ... Moment fühlte, ist schwer zu beschreiben. Eine eigenartige Leichtigkeit, Zufriedenheit, Ruhe, Erleichterung gar, dass wir einfach nur einen kleinen Schritt weiter gegangen waren. Auf einem vorgezeichneten Weg? Zumindest in diesem Moment fühlte es sich so an. Die Gewissheit, dass sie genau so und nicht anders fühlte. Aber auch, dass jedes Wort diesen perfekten Moment nur zerstören konnte.
    
    Michal kam uns mit zwei seiner Studenten entgegen, er hatte uns wohl schon vergeblich gesucht. Ich gab mir Mühe, seine Fragen zu meinen Aufzeichnungen, die ich am Morgen überlassen hatte, so konzentriert wie möglich zu beantworten, ertappte mich aber dabei, wie ich immer wieder zu Lenny hinübersah, die sich bei den drei Brüdern eingefunden hatte und gleich wieder zu wühlen begann.
    
    Ich war unsagbar froh, als ich mich wieder in ihre Nähe begeben konnte und wir nach einer Stunde weiterer Vorbereitung dann noch gemeinsam ein paar Schichtproben zogen. Am Abend war nicht nur die Gras- und Humusschicht in Parzelle I vollständig abgetragen, wir hatten für den folgenden Montag somit auch alle Vorbereitungen abgeschlossen, zur ersten angenommenen Außenmauer vorzustoßen.
    
    Während Annalena als letzte Tätigkeit des Tages unser Werkzeug in der Garage säuberte und einsortierte, rief ich wie versprochen Massimo an. Ich trug ihm unser Ansinnen vor, ohne lange um den heißen Brei herumzureden und er war sofort einverstanden, meinte dabei, dass er eigentlich vorher fragen wollte, ob wir an diesen Stücken ...
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