1. Ausgrabungen


    Datum: 22.02.2023, Kategorien: Reif

    ... unterbrach ich sie nicht ohne Genugtuung. Giselle rollte mit den Augen.
    
    "25. Das macht, wieviel, 35 Jahre Unterschied? Weißt du überhaupt, worauf du dich einlässt?"
    
    "Ehrlich gesagt nein. Nicht, dass das einen Unterschied machen würde, aber ich bin 57, also sind es 32 Jahre. Und ich kann auch nachvollziehen, dass du dir Sorgen machst, aber..."
    
    "Nein, das kannst du nicht. Verstehe mich bitte nicht falsch, es hängt nicht mit dem zusammen, was zwischen uns war... du bist mein Freund und ich will nicht, dass man dir weh tut. Und das wird sie tun, da bin ich mir ganz sicher."
    
    Ich schüttelte emphatisch den Kopf.
    
    "Woher willst du das denn wissen, du kennst sie doch gar nicht? Du kannst dir gar nicht vorstellen, was sie mir gibt, wie unfassbar schön das ist, endlich einmal mein Leben mit jemanden zu teilen. Und wenn es nicht mehr, wie nur ein paar Jahre sind, was bedeutet das schon, außer dass ich zumindest in diesen Jahren noch einmal richtig gelebt und geliebt habe?"
    
    "Aber warum denn dieses kleine verdorbene Kind? Thomas, schau dich doch um, es gibt so viele Frauen, die so viel besser zu dir passen würden, bei denen du sicher sein kannst..."
    
    "Sicher? Warum glaubst du, dass es das ist, was ich will? Ich habe mein ganzes Leben in Sicherheit verbracht, eingekerkert in meiner kleinen beschaulichen Welt, in meiner Kruste, in der mir nichts passieren kann und habe dabei völlig verpasst, wie das ist, zu leben! Verstehst du? Richtig zu leben! Und dann kam Lenny... ...
    ... und grub mich aus, hat mich aus meiner Kruste rausgehämmert und jeder Tag ist ein Abenteuer und jeden Tag entdecke ich Neues und mit ihr selbst Vertrautes neu."
    
    "Das denkt man so, wenn man verliebt ist, aber wie lange hält das vor? Was, wenn das Feuerwerk am Himmel verloschen ist, keine Geigen mehr spielen, kein Adrenalin dich mehr durch das Leben pumpt? Aus dem Abenteuer Alltag wird? Glaubst du sie bleibt dann bei dir?"
    
    Das hatte gesessen. Ich setzte mehrfach zur Entgegnung an, aber für einen kurzen Moment überwältigte mich doch eine gewisse Angst. "
    
    Vertrau mir
    
    ", ertönte dann Lennys Stimme in meinem Kopf.
    
    "Ja. Vielleicht bin ich ja ein dummer alter Bock, der vor Hoffnung verrückt ist, aber ich vertraue ihr, wie ich noch nie einem Menschen in meinem Leben vertraut habe. Weil sie mich will, so, wie ich bin und hoffentlich auch so, wie ich sein werde."
    
    "Aber... diese Frau... sie ist so zügellos, so..."
    
    "So wunderbar lebendig, ohne echte Angst und ohne jeden Kompromiss. Das wirkt vielleicht zügellos auf dich, aber das ist sie nicht. Giselle, ich weiß nicht, wie ich das erklären kann, aber auch ich habe keine Angst. Vielleicht weil ich entdecke, dass auch ich alle Zügel aus der Hand geben kann, mich völlig verlieren, und hinterher bin ich immer noch da, und bei ihr..."
    
    "Ich verstehe nicht, was du meinst."
    
    "Nein, das kannst du vielleicht auch nicht."
    
    Ich seufzte, hilflos, weil ich so gerne erklärt hätte, was mich so sicher machte und es doch nicht ...
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