1. Doro 09: Das Gästezimmer


    Datum: 13.03.2019, Kategorien: Nicht festgelegt,

    Die schwere Haustür fiel hinter Doro ins Schloss und trennte sie von der sonnigen Außenwelt und der beeindruckenden Gestalt Madame Séverines. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Zu oft waren in letzter Zeit Türen hinter ihr zugefallen, die sie nicht mehr öffnen konnte. Doch sie unterdrückte den Impuls, sich sofort umzudrehen und auszuprobieren, ob sie das Haus wieder verlassen konnte. Stattdessen sah sie sich in der beindruckend großen, über zwei Stockwerke reichenden Eingangshalle um. Obwohl das Haus umfassend modernisiert war, atmete der ausgedehnte Raum noch immer die Atmosphäre des Adelssitzes, der es einst gewesen war. Die hohe Decke war mit einem prächtigen Kronleuchter geschmückt, dessen Kristalle das Licht der elektrischen Kerzen tausendfach brachen und durch den Raum warfen. Ihr Schimmer spiegelte sich als warmes Glühen auf den polierten Steinböden. Der Geruch von frisch geschnittenen Blumen erfüllte die Luft und mischte sich mit einem leichten Hauch von Holz und Leder aus den antiken Möbeln, die die Halle schmückten.
    
    Doro setzte eine optimistische Miene auf und wandte sich mit übertrieben fröhlichem Tonfall an die Zofe, die sie eingelassen hatte.
    
    „Nun, da sind wir, nicht wahr? Das ist ein wahnsinnig beeindruckendes Haus, muss ich schon sagen. Es muss ganz schön cool sein, hier zu wohnen. Es wäre echt toll, wenn du mir mal eine Führung geben könntest. Aber lieber nicht jetzt sofort. Ich bin ziemlich fertig und müde und könnte wirklich mal eine Ruhepause ...
    ... gebrauchen. Die letzten Tage waren ein richtiger Höllentrip. Und die Zeit davor hatte es auch ganz schön in sich. Das willst du gar nicht wissen, was mir alles passiert ist. Und du zeigst mir jetzt ein Zimmer, wo ich mich ausruhen kann? Mann, da freue ich mich riesig. Oh, entschuldige, ist es in Ordnung, wenn ich dich duze? Ich bin da eigentlich recht locker drauf und denke nicht lange darüber nach, wenn ich jemanden in meinem Alter treffe. Ich heiße Doro. Aber ich glaube, das habe ich schon gesagt, oder? Wobei ich Dorothea gesagt habe. Das ist natürlich mein richtiger Name. Dorothea. Ich mag Doro aber lieber. Ist kürzer und klingt nicht so alt. Die meisten nennen mich auch so. Doro, meine ich. Und du bist Janine?"
    
    Sie merkte, dass sie vor Aufregung und Unsicherheit gedankenlos plapperte und klappte den Mund zu. Betreten sah sie zu ihrem Gegenüber, während sie spürte, wie ihr vor Verlegenheit die Röte ins Gesicht stieg. Die Zofe behielt ihren neutralen Ausdruck bei und gab in keiner Weise preis, was sie über den Gast dachte.
    
    „Ja, mein Name ist Janine. Und ja, Sie dürfen mich duzen. Wenn Sie es wünschen, kann ich ihnen jetzt das Gästezimmer zeigen, es sei denn, sie hätten zuvor noch andere Wünsche."
    
    „Zimmer und Ausruhen, das ist genau, was ich jetzt brauche. Ja."
    
    Das Mädchen wandte sich mit einer einladenden Geste um und stieg auf der imposanten Treppe, die in der Halle ins Obergeschoss führte, voran. Die kunstvoll gearbeiteten Geländer und die polierten Marmorstufen ...
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