Wehe, wenn sie losgelassen...
Datum: 18.01.2024,
Kategorien:
Hausfrauen
... Gesicht in der Masse gewesen. Sie drehte sich um. Der Schwarze trocknete sich die Hände an einem winzigen Handtuch ab.
»Sandra«, sagte sie. Er lächelte wieder breit und streckte ihr die Hand entgegen. Sie war weich und warm.
»Rémy«, sagte er und sah ihr in die Augen. So viel Nähe hatte sie den ganzen Abend nicht gespürt, trotz der vielen Menschen. Eine kurze Pause entstand, und auf einmal war ihr der Ort unangenehm. Immerhin hatte sie zwei Minuten zuvor den fremden Mann noch beim Pinkeln gestört.
»I have to go«, sagte sie und ihre Worte kamen ihr fremd vor. Zu selten sprach sie Englisch.
»Go, you mean like in Go home or like in Go and have a drink?«, hörte sie Rémy sagen, als sie die Tür aufzog. Der Lärm der feiernden Gäste wurde wieder laut. Was hatte er gesagt? Drink? Sie war zu verwirrt und ihr Herz pochte noch immer bis zum Hals. Das verbotene Geisterbild tanzte vor ihren Augen.
»What?«
Rémy lachte tief und legte ihr einen Arm um die Schulter.
»I'll get us a drink. And then you have to tell my, why such a beautiful lady like you is looking so sad.«
Sandra schluckte. Sie hatte keine Wahl, würde sie später sagen. Es war einfach so passiert.
3.
Sie stellten sich nach draußen an den Pool, der von innen beleuchtet war und in der Abenddämmerung wie ein großer blauer Topas schimmerte. Niemand schwamm darin. Und Sandra fragte sich, ob überhaupt jemals jemand darin schwamm, oder ob das nur ein Statusobjekt war, das sich Reiche zulegten, um damit ...
... anzugeben, und nicht, weil sie es brauchten.
Mit Andreas hätte sie sich über Hilfsorganisationen, das Gesundheitssystem und Altruismus unterhalten, so wie sie es immer taten, wenn sie unterwegs waren. Er hatte nur ein Thema und das machte Sandra nichts aus. Sie liebte es, wenn er sich einer Sache hingab. Sie konnte es nicht, sie war mit den Gedanken überall, nur nicht bei einer Sache. Manchmal versuchte ihr Andreas von seiner Begeisterung etwas zu geben, und sie lauschte ihm, den Kopf auf die Brust gelegt, noch im Bett, wie er von einer besseren Welt schwärmte. Aber an diesem Abend genoss sie seine Abwesenheit und sie schämte sich zugleich für diesen Gedanken.
Und weil sie sich schämte, dass sie es genoss, über Soaps im Fernsehen, über YouTube-Stars und Filme zu sprechen, nippte sie immer häufiger an ihrem Cocktailglas, das seltsamerweise niemals leer zu werden schien. Oder war es so, dass Marie, die ab und zu wie aus dem Nichts auftauchte, sich nach ihrem Befinden erkundigte und ihrem Gesprächspartner einen musternden Blick zuwarf, immer wieder ein volles Glas in die Hand drückte?
Rémy war nicht aufdringlich, aber er war offensiv und er schwärmte von ihren wasserblauen Augen und ihrem langen schwarzen Haar. Unter anderen Umständen hätte sie ihm gesagt, er solle sie in Ruhe lassen, aber sie fand es eher nett als unverschämt, und als sie ihm sagte, sie sei verheiratet und hätte ein Kind zuhause, sagte Rémy etwas, das sie anfangs nicht verstand, weil sie das Wort noch nie ...