1. Wehe, wenn sie losgelassen...


    Datum: 18.01.2024, Kategorien: Hausfrauen

    Sandra liebte ihren Freund. Seit drei Jahren waren sie zusammen. Sie hatten sich während des Studiums kennen gelernt und es hatte auf Anhieb gefunkt. Andreas war der liebste, ehrlichste und höfliche Mensch, den sie bislang getroffen hatte. Jeden Wunsch las er ihr von den Lippen ab. Er arbeitete als Krankenpfleger und vielleicht sagte das schon alles. Ein Mensch, der sich zuallererst um andere kümmerte und den man immer wieder, jeden Tag, daran erinnern musste, dass er selbst auch wichtig war. Aber viel zu oft vergaß Andreas das und dann arbeitete er nicht nur bis zur Erschöpfung im Krankenhaus. Ob es das letzte Bier aus dem Kühlschrank war, die größere Portion auf dem Teller, die schweren Taschen nach dem Einkaufen -- immer war es Andreas wichtig, etwas für Sandra zu tun. Kleinigkeiten waren es, aber für Sandra waren sie der Grund, warum sie ihn liebte.
    
    Sandra arbeitete in der Verwaltung des gleichen Krankenhauses, und im Mitarbeiterrestaurant waren sie sich über den Weg gelaufen und später noch einmal, bis es zwischen ihnen gefunkt hatte. Sie waren erst Wochen nach ihrem ersten Date miteinander ins Bett gegangen. Vorsichtig und beinahe schüchtern, und Sandra hatte das Licht ausgemacht, bevor sie sich für ihn ausgezogen hatte.
    
    Andreas war zärtlich gewesen, vielleicht sogar etwas unbeholfen, und später hatte sie sich gefragt, ob sie vielleicht die erste Frau für ihn gewesen war. Nicht zuletzt, weil er in den folgenden Monaten immer wieder betont hatte, wie glücklich er ...
    ... sich mit Sandra schätzen konnte. Dass sie sich mit einem wie ihm abgab. Einem wie ihm. Einen wie ihn hatte sie nicht einmal ein Jahr später geheiratet.
    
    Andreas war kein Modeltyp, hatte kein Sixpack, seine Qualitäten lagen im Inneren verborgen. Aber Sandra war auch nicht der typische Männerschwarm, obwohl sie es durchaus hätte sein können. Ihre Freundin Marie hatte sie bei mehr als einer Gelegenheit dazu gedrängt, mehr aus ihrem Typ zu machen. Einen Schnitt in die langen Haare bringen. Engere Sachen tragen. Make-up. Lippenstift. Kontaktlinsen statt Brille.
    
    Aber Sandra wollte sich nicht verändern. Sie war glücklich, so wie sie war. Als vor einem Jahr dann Yannick in ihr Leben getreten war, der kleine Yannick, den sie nach 12 Stunden Wehen endlich in ihren Armen hatte halten können, wusste sie, dass es das Leben war, was sie gewollt hatte, das, und nichts anderes, mit allen Ecken und Kanten. Und vor allem mit Windeln.
    
    Sechs Monate lang hatte sie Yannick gestillt, und genau einen Tag später hatte Marie sie auf diese Party eingeladen. Eine große Party in einem großen Haus. Freunde von Freunden hatten viel Geld und waren eigentlich immer in Partylaune. Marie sagte, mehr im Scherz und doch recht überzeugend, die drei Typen hätten das Haus mit Drogen finanziert.
    
    »Du musst mal raus, wirklich«, hatte sie gesagt und Sandra hatte verzweifelt nach Argumenten gesucht, nicht mitgehen zu müssen. Später konnte sie nicht mehr sagen, warum sie dennoch auf diese Party gegangen war. ...
«1234...9»