Wiener Epigramm - oder: Die Lust an der Lust
Datum: 30.05.2024,
Kategorien:
CMNF
... Anna-Engelchen.", gurrte seine, für einen Mann Mitte 50 ungewöhnlich hohe Stimme, durch den Lautsprecher. "Wie war der Gustav, der Klimt den gestern so?"
"Toll, Nicolai! Aber stell dir vor, es ist noch was ganz anderes passiert!", antwortete Anna freudig.
Sarvaz verstand nicht ganz, er begann einfach mit dem nächsten Tagesordnungspunkt. "Annalein, du darfst nicht vergessen, morgen ist Premiere von diesem Thomas-Bernhard-Musical, "Die Helden vom Platz", in der U-Bahnstation auf der Reichsbrücke."
"Aber da spiel ich doch gar nicht mit!", gab Anna verwirrt zurück.
"Papperlapapp, das Musical ist mir egal, aber da geht's um dein Image, Anna, was meinst du wer da alles da ist, von Rang und Namen? Von der Regenbogenpresse mal ganz zu schweigen! Da gehört Anna Thun-Hohenstein hin! Die graue Theatermaus war gestern, Annchen!", führte Sarvaz euphorisch aus.
Doch Anna wollte es jetzt endlich loswerden:
"Du Nicolai!", flötete sie, "Es ist passiert. Anna Thun ist liiert!"
"Was?", rief Sarvaz, "wer?"
"Wojciech Lammert!"
"Der Fußball-Hallodri?"
"Sagt wer?"
"Die Krone-Zeitung!"
"Und denen glaubst du?"
"Na ja, wem soll ich den sonst glauben? Die Krone-Zeitung bestimmt über Leben und Tod in dieser Branche, Anna-Mäuschen!", antwortete Sarvaz etwas brüskiert.
"Jedenfalls treffen wir uns heute Abend wieder!, sagte Anna.
"Und wo?", fragte Sarvaz nicht ohne Hintergedanken bevor er das Gespräch beendete.
In seinen verdorbenen Gehirnwindungen keimte ...
... schon längst ein bösartiger Plan...
Josef betrat seine kleine, schäbige Wohnung. Bogota-light! Der kaputte Heizkörper im Flur gluckerte höhnisch, als er seine Jacke auf die durchgelegene Couch warf und sich eine schwäbische Spätzle-Pfanne by Hofer in die Mikrowelle legte.
Desillusioniert schaltete er den Fernseher an. Erst ZiB, dann den neuesten Brenner-Krim! Er mochte diese Art von Abendunterhaltung zwar nicht, der legendäre Wiener Schmäh lag seiner Meinung nach schon längst auf dem Zentralfriedhof begraben, aber was sollte das schon...
Ihm hörte doch eh keiner zu! Während sich also Josef Hader bereitmachte, in die Provinz zu fahren, fielen ihm langsam die Augen zu.
Er träumte etwas höchst seltsames: Seine Füße standen knietief im Meereswasser, dass in einer Art unterirdischer Säulenhalle sachte hin und her schwappte. Am Ende des Säulenganges war eine wackelige Holzbühne aufgebaut. Plötzlich ertönten Trommeln und es erklang ein langer, bräsiger Trompetentusch. Ein dicker Mann mit fettigen schwarzen Locken und einem Schnurrbart, der Papa Moll neidisch gemacht hätte, torkelte betrunken auf die Bretter die die Welt bedeuteten und lallte:
"Meine Damen und Herren, jetzt kommt der kritische Teil!"
Daraufhin betraten orientalische Tänzerinnen die Bühne und wirbelten herum. In ihrer Mitte tanzte eine besonders große, tief verhüllte Gestalt. Schwungvoll und muskulös ließ sie ihren Körper durch den Raum schweben, so dass Josef ganz angetan auf sie starrte.
Plötzlich ...