Wiener Epigramm - oder: Die Lust an der Lust
Datum: 30.05.2024,
Kategorien:
CMNF
... bin...", weiter kam er nicht, Sarvaz schnitt ihm das Wort ab.
"Es gibt da dieses hippe Bistro, "Da Luigi", in der Mariahilfer Straße. Ich erwarte sie in 30 Minuten!", sprach er und legte auf. Noch minutenlang lauschte Josef dem Freizeichen. Er war sich unschlüssig, ob er diesem – in seinen Augen – wahnsinnigen Vorschlag folgen sollte. Da ertönte ein Piepen, die Spätzle-Pfanne war fertig!
"Na gut, was soll's!", dachte er sich achselzuckend, und hob seine Jacke auf.
Die Werner U-Bahn war überraschenderweise pünktlich, so dass er um Punkt 23 Uhr vor dem "Da Luigi" stand, in gespannter Erwartung, was nun als nächstes passieren sollte.
Drinnen war die Hölle los, Lana del Rey hauchte durch riesenhaft anmutende Lautsprecherboxen und das Personal lief gehetzt von einem Tisch zum anderen. Kaum hatte er die Schwelle des Eingangs überschritten und sich in dem Lärm versucht zu orientieren, da schlug ihm jemand auf die Schulter. Hinter ihm stand ein blondes Mädchen, eine Kellnerin mit hübschen Gesicht, einzig und allein die auf voller Fläche tätowierten Oberarme ließen ihn kurz stutzen. Er selbst trug einen Schriftzug von Siddhartha auf dem Oberschenkel, aber die Erinnerung an die Behandlung mit der heißen Nadel und das mitleidlose "Jetzt sei halt nicht so ein Weib!" des vollbärtigen Tätowierers, erzeugten in ihm einen gewisses Unwohlsein.
"Bist du der Josef?", fragte sie ihm mit gehetzter Stimme.
"Ja, wo....", fragte er doch Josef wurde sofort von ihr ...
... unterbrochen.
"Der Herr Sarvaz wartet bereits, komm mit!", sagte sie und führte ihn nach hinten, in eine etwas ruhigere Ecke.
Dort saß ein etwas älterer Herr, mit ordentlich gekämmten Haaren und einem teuren Anzug samt Samtfutter und wies ihn wortlos Platz zu nehmen.
Als er saß, bestellte Sarvaz bei der blonden Bedienung, die immer noch etwas unschlüssig vor ihrem Tisch stand , eine Flasche Vino Nobile di Montepulciano und für Josef ungefragt einen Swimming Pool. Noch bevor sich Josef auch nur in irgendeiner Weise wehren konnte, schaute ihn Sarvaz durchdringen an und begann leise aber bestimmt zu sprechen:
"Schön das sie hergefunden haben, Herr Moosgruber, ich bin, wie ja schon telefonisch bekannt, der Nicolai Sarvaz."
Als Josef etwas erwidern wollte, hob er die Hand und bat ihn zu Schweigen. Er führte weiter aus: "Sie werden sich sicherlich fragen, warum ich sie zu so später Abendstunde aus dem wohlverdienten Feierabend hergeholt habe. Nun, dazu müssen sie wissen, ich führe seit einigen Jahren eine sehr erfolgreiche Schauspielagentur, meine Klienten spielen regelmäßig in den Top-Produktionen des österreichischen Kulturbetriebs."
Und dann holte er eine Schriftstück aus der Hand, das Josef auf ein wenig beschämende Weise bekannt vorkam: Es war der verzweifelte und grenzenlos naive Brief den er nach einer einsamen, volltrunkenen Nacht in seiner Zweizimmerwohnung, hastig aus ein Stück Faxpapier gekritzelt hatte.
"Und jetzt kommen sie ins Spiel!", er nickte Josef freundlich ...