Die Studentin
Datum: 04.06.2024,
Kategorien:
Schamsituation
Da kam endlich ein Bus. Sie kniff ihre etwas kurzsichtigen Augen zusammen. Linie 311, der richtige, wurde auch Zeit. Der Bus schien, wie jeden Dienstag, sehr voll zu sein. Sie schaute sich um. Mindestens noch zwanzig Leute, vorwiegend Studenten aus dem Wohnheim nebenan. Ein Griff zur schweren Tasche, Bücher für das Seminar in der nullten Stunde. Wie sie es hasste: nullte Stunde. Welch eine Bezeichnung überhaupt, für so früh aufstehen, das elendige Gepäck und der immer gerammelt volle Bus zu dieser unchristlichen Zeit.
Fast ohne ihr Zutun wurde sie in den Bus geschoben, immer weiter hinein. Schieben, drängeln, Enge, stickige Luft. Ausdünstungen: Knoblauch, Schweiß und Schlimmeres gemischt mit Tabac und den neuesten Wässerchen von Douglas. Sie rümpfte die Nase. Wenigstens waren die Dachluken geöffnet.
Mit der freien Hand griff sie nach oben an die Stange. Der Bus ruckte an. Wieder dieser rücksichtslose Fahrer, dem waren die Fahrgäste wohl egal. Ihr linker Oberschenkel rieb sich an der Schulter eines sitzenden Fahrgastes. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, nur seine alberne Baseballkappe.Red Skins in verschnörkelter Schrift, stand drauf. Was da wohl drunter ist? Locken? Eine Glatze? Still schmunzelte sie vor sich hin, der Oberschenkel glitt an der Schulter vor und zurück, immer wieder, die Straßen sind schlecht. Sie schaute weiter: helle Leinenhosen, Sandalen, keine schwarze Socken, gar keine Socken! Gut. Allzu alt kann er also nicht sein. Weißes ärmelloses Shirt, ...
... muskulöse Arme, aber nicht übertrieben. Wie er wohl aussehen mag?
Plötzlich! Was war das? Eine Hand an ihrem Knie! Ausweichen! Weg hier! Geht nicht, kein Millimeter Platz. Sie biss die Zähne zusammen. Was sollte sie tun?
Die Finger strichen zärtlich über die Haut des linken Schenkels bis zum Saum des Miniröckchens hinauf und wieder hinunter zum Knie. Immer wieder und wieder. Ihr wurde heiß, erst heiß und dann kalt.
Was tun? Eine Hand hielt die Tasche, die andere war oben an der Stange, verdammter Fahrer! Sie presste die Knie zusammen. Gänsehaut, auch auf dem Rücken, es ging durch und durch. Wie konnte er das tun?
Die Hand wollte dazwischen, zwischen die Knie. Nein! Niemals!
Eine ganz tiefe Bassstimme brummte kaum hörbar: „Mach schon! Los!“ Die Ohren konnten die Schwingungen kaum registrieren. Ihr Zwerchfell um so besser! Kann man mit dem Bauch hören? Die Hand drängelte weiter. „Los, mach jetzt!“ brummte der Bass.
Elefanten und Wale verständigen sich über große Entfernungen, mit solchen Frequenzen, Infraschall. Wie kam sie jetzt da bloß drauf? Ihre Füße übernahmen die Initiative. Ohne das Gehirn zu fragen, bewegten sich die Fersen auseinander, das Hirn hatte Anderes zu tun.
Oh Gott, was tu ich hier? „Geht doch!“, schwang das Zwerchfell. Die Hand schob sich zwischen den Schenkeln nach oben, Stück für Stück.
Wie viele Haltestellen noch? Keine Flucht in Sicht! Und fast alle fahren mit bis zur Endstation, wie jeden Dienstag.
Die Hand verschwand unter dem Mini. ...