1. Sommernacht (Sommernachtstraum)


    Datum: 08.06.2019, Kategorien: Kunst,

    Der Mond stand hell in Mitten geballter Wolken. Sonst war es finster und dieses Licht dadurch von besonderer Güte: alles beleuchtend, doch jedem Geheimnis sein Geheimnis lassend.
    
    Sie war aufgeregt. Jetzt. Seit einer halben Stunde war sie bereits unterwegs. Seine Einladung war per Telefon erfolgt: Sie möge heute Nacht zur Parkhütte kommen,
    
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    r würde sie dort erwarten.
    
    Die Parkhütte war eine Laube, die allgemein so bezeichnet wurde, obwohl es keine Hütte im ursprünglichen Sinne gab. Vielmehr handelte es sich um eine wabenförmige Holzkonstruktion, die nach fünf Seiten mit einer hüfthohen Balustrade verschlossen war und durch ein erheblich überstehendes Giebeldach auch vor Regen Schutz bot.
    
    Joelle war schon lange nicht mehr hier gewesen. Zuletzt als junges Mädchen, dachte sie eben, während sie den schmalen Waldweg entlang ging. Sie kannte den Weg noch ohne jedes Zögern; solche lang vertrauten Wege vergisst vermutlich niemand leicht. Er schien wenig begangen und ziemlich verwachsener als in ihrer Erinnerung. Schon konnte sie den Pavillon sehen und steuerte auf jene Seite zu, die nicht verbaut war.
    
    Sie liebte diesen Park. Seine Urwüchsigkeit, die es auch damals in ihren Jugendjahren gegeben hatte und die sich heute noch intensiver zeigte. Der Wald wirkte, als gehöre sie zu einer der letzten einer Generation, die ihn jemals begangen hatte.
    
    Ein Käuzchen schrie.
    
    Ihr wurde unheimlich und sie schauderte unwillkürlich.
    
    Worauf hab ich mich da eingelassen, ging ...
    ... es ihr durch den Kopf, schließlich kannte sie den Mann kaum, hatte ihn nur zweimal in einem Cafe getroffen.
    
    Er gefiel ihr, ja! Er war höflich und zuvorkommend, schien aufrichtig und hatte ein Flair, das sie reizte. Sie musste grinsen,
    
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    as heißt reizte, er macht mich richtig an…, lächelte sie jetzt offen vor sich hin. Raschelnd stob sie das Laub mit den Füssen vor sich her und steig schließlich die Treppen hoch in das Rondell hinein. Dort roch es fantastisch nach Bäumen, Wald und Blumen, denn rund um die Rotunde gab es schmale Beete voll mit unterschiedlichen Sommerblumen, die ihren Duft mit jenem des Waldes vermengten und verströmten, im Rundbau sich sammelte und verdichtete.
    
    Sie sah hinaus durch die Fensterlosen Öffnungen, den Eingangsbereich im Rücken. Nichts war zu hören außer ab und zu ein seltsames Rascheln und ein geheimnisvolles Raunen der Bäume.
    
    Da, ein Vogel zwitscherte aufgebracht in die Nacht – wer oder was mochte ihn aus dem Schlaf geschreckt haben…
    
    „Dreh dich nicht um…“, seine Stimme war ihr vertraut, obwohl sie tiefer zu klingen schien als bisher. Hände fassten sie fest und sanft zugleich an den Schultern.
    
    „Es ist schön, dass du gekommen bist. Es zeigt mir, wie sehr du mir vertraust…“, er hauchte diese Sätze in ihr linkes Ohr. Ein feines Rieseln lief ihre Wirbelsäule entlang. Ihr Atem stockte ein wenig, begann von selbst dann tiefer zu sinken. Ihr Bauch wölbte sich vor. Sie hatte das Gefühl, als ob ihre Beine keine Kraft mehr hätten, sie zu ...
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