1. Argonauta Kapitel 08-11


    Datum: 01.07.2019, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... Ergebnisse. Bislang hatten sich all seine Schützlinge auch recht wacker geschlagen. Mit ihren Leistungen konnte Singer durchaus zufrieden sein und inzwischen war der Stapel der noch nicht korrigierten Klausuren schon deutlich kleiner als jener der bereits durchgesehenen. Vor zwei Stunden war das noch anders gewesen. Dennoch bereitete ihm das Korrigieren einige Mühe, denn die Schrift einiger Studenten war ziemlich unleserlich.
    
    Plötzlich klingelte das Telefon. Singer sah auf und schielte auf das Display, auf dem in grünlichen Lettern das WortLydia aufleuchtete. Singer seufzte. Seine Frau. Besser, er würde rangehen, um nicht wieder einen Streit zu provozieren. Also griff er nach dem Hörer, nahm ab und räusperte sich.
    
    „Ja Schatz, was gibt es denn?", fragte Singer.
    
    „Wo bleibst du denn?", schimpfte Lydia am anderen Ende der Leitung vorwurfsvoll.
    
    „Ich bin noch in der Uni. Ich brauche mit den Klausuren länger als gedacht. Die Jugend von heute hat eine immer schlechtere Sauklaue. Man kann die Epistel kaum entziffern. Das hat man vom modernen Zeitalter, in dem alles am Computer getippt wird."
    
    „Das Essen ist beinahe fertig!", ermahnte Lydia.
    
    Das Essen ...
    
    Schlagartig fiel es Singer wieder ein.
    
    So ein Mist, fluchte er innerlich. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht.
    
    „Ist gut. Ich beeile mich. Wirklich. Ich muss nur noch kurz ... ", antwortete Singer beschwichtigend. Er seufzte und rieb sich angestrengt die Augen.
    
    „Mit dir ist es immer das Gleiche!", ...
    ... giftete seine Frau. „Erst beteuerst du, dass du nur noch mal kurz in dein Büro musst und ein paar Unterlagen holen willst und kaum bist du dort, vergisst du Zeit und Raum. Und wir sitzen daheim, warten auf dich und der Braten wird kalt."
    
    „Ich komme wirklich bald nach Hause, Schatz. Gib mir nur noch fünf Minuten, damit ich meine Bürotür abschließen kann", sagte Singer.
    
    Doch es half nichts. Wenn Lydia erst einmal in Rage war, hörte sie nicht so schnell wieder auf. Wie ein Rohrspatz zeterte sie: „Es ist Sonntag, Donnie! Was um alles in der Welt ist so wichtig, dass du ausgerechnet heute in die Uni musstest? Hätten deine albernen Klausuren nicht bis morgen warten können?"
    
    „Es tut mir leid. Kommt nicht wieder vor."
    
    „Donnie, vergiss nicht, dass heute ein besonderer Tag ist. Beeil dich bitte. Ich habe mich doch schon so sehr auf heute gefreut."
    
    „Ist gut. Ich werde mich sputen."
    
    Seine Frau Lydia war nicht grundlos so besorgt. Lucie war Lydias und Donalds jüngste Tochter und hatte ihnen vor drei Tagen ihren Besuch angekündigt. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und wohnte seit einigen Jahren in Sydney und kam ihre Eltern nur noch selten besuchen. Heute war es wieder einmal so weit. Das allein hätte schon ausgereicht, um seine Frau Lydia in Hochstimmung zu versetzen. Aber Lucie hatte angekündigt, dass sie nicht allein kommen würde, sondern ihrer Familie einen ganz besonderen Menschen vorstellen wollte -- ihren Verlobten, einen gewissen Jamie. Der war, das wusste Donald Singer ...
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