1. Argonauta Kapitel 08-11


    Datum: 01.07.2019, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... aus den wenigen Gesprächsfetzen am Telefon zwischen Lydia und Lucie, die er mitbekommen hatte, wohl ein hohes Tier bei einer Versicherung, kam aus gutem Hause und war allem Anschein nach der ideale Schwiegersohn. „Ihr werdet Jamie lieben, ganz bestimmt", hatte Lucie am Telefon gesagt. Trotz dieser Bekundungen hatte Singer ein ungutes Gefühl. Bislang waren alle Freunde, die seine Tochter ihm vorgestellt hatte, bei ihm durchgefallen. Wenn es um seine Tochter ging, war nach seinem Geschmack kein Mann gut genug.
    
    „Schön. Ach, und Schatz?", fragte Lydia am Telefon.
    
    „Ja, Liebling?"
    
    „Denk bitte daran, unterwegs noch einen Blumenstrauß mitzubringen. Für Lucie. Hörst du?"
    
    „Ist gut", sagte Singer, während er schon fieberhaft überlegte, welches Blumengeschäft wohl am Sonntag noch geöffnet haben könnte. Notfalls müsste er eben einen Strauß von der Tankstelle besorgen.
    
    „Und wirklich nur noch fünf Minuten", mahnte Lydia.
    
    „Ja", antwortete Singer.
    
    „Ich warte auf dich. Du musst den Braten noch tranchieren."
    
    „Aber ja doch. Schatz, ich muss jetzt auflegen. Sonst dauert es nur noch länger."
    
    „Gut. Bis gleich."
    
    Lydia hatte bereits aufgelegt. Singer seufzte. Also gut, die restlichen Klausuren würden bis morgen warten und seine Studenten sich noch ein Weilchen in Geduld üben müssen. Auch gut. Für heute hatte er genug getan. Singer stopfte die durchgesehenen Klausuren in die Mappe auf seinem Schreibtisch und legte die anderen verkehrt herum darauf. Gerade als er die ...
    ... Mappe schließen wollte, klopfte es plötzlich an seine Bürotür.
    
    Nanu?, dachte Singer überrascht,etwa ein Student?
    
    Aber heute hatte Singer doch gar keine Sprechstunde. Außerdem war Sonntag. Hatte er etwa in seiner Zerstreutheit einen Termin vergessen? Nein, das war ausgeschlossen. Seine Sekretärin hätte ihm längst eine Notiz für ihn gut sichtbar an den Schreibtisch geklebt.
    
    „Herein", murmelte Singer, während er die Mappe mit den Klausuren in seine Aktentasche legte.
    
    Die Tür öffnete sich und ein ihm völlig unbekannter älterer Mann lugte zur Tür herein. Er hatte graue Haare und einen akkurat gestutzten Vollbart, wirkte groß und für sein Alter noch sehr fit. „Entschuldigen Sie, dass ich störe", sagte der Mann beschwichtigend, „sind Sie Professor Singer?"
    
    „Der bin ich. Hören Sie, was immer Ihr Anliegen ist, ich fürchte, ich werde Sie auf morgen vertrösten müssen. Meine Frau macht mir jetzt schon die Hölle heiß, wenn ich nicht bald daheim erscheine", entgegnete der Professor.
    
    „Oh, ich verstehe. Aber ich möchte Sie wirklich nur um fünf Minuten Ihrer kostbaren Zeit bitten", erbat der Unbekannte.
    
    „Haben Sie nicht gehört? Ich sagte, dass ich jetzt keine Zeit mehr habe und Sie bitte ein anders Mal wiederkommen sollen! Wie heißen Sie überhaupt?", polterte Singer ungehalten, während er seinen Schlüssel suchte.
    
    „Ich weiß", sagte der alte Herr, „es ist mir auch überaus unangenehm, dass ich Sie ausgerechnet an einem Sonntag belästige. Aber leider bin ich nur vorübergehend ...
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