1. Die Mieterinnen


    Datum: 13.08.2019, Kategorien: Schamsituation

    ... Familie Hassan, im Wohnraum Platz zu nehmen.
    
    Ich ergriff das Wort und kam sofort zur Sache. „Ich habe Patsys Eltern gegenüber eine große Verantwortung übernommen, als ich sie hier im Haus aufgenommen habe. Ich habe Patsys Mutter“, dabei sah ich Aishe an, „in die Hand versprochen, auf ihre Tochter aufzupassen. Sie müssten eigentlich am besten verstehen, wie mies ich mich eben gefühlt habe.“ Dann wandte ich mich an den Vater.
    
    „Herr Hassan. Ich weiß, dass Sie schon seit über 18 Jahren in Deutschland leben, denn Malike ist ja in Deutschland geboren. Sie und ihre Familie wollen den deutschen Lebensstandard genießen, dann müssen Sie sich auch den deutschen Sitten und Gebräuchen ‚annähern‘, nicht ‚anpassen‘. Sie müssen nicht alles bedingungslos übernehmen, müssen also zum Beispiel weder Bier trinken noch Schweinefleisch essen. Aber Sie können auch nicht mehr auf einem Kamel oder Esel über die Landstraße reiten, wie Sie das in der Türkei vielleicht gewohnt waren. Hauptsächlich gibt es aber einen großen Unterschied im Zusammenleben der Menschen. Ich will jetzt überhaupt nicht auf ‚Erziehungsmaßnahmen‘ wie Züchtigung und sowas eingehen, sondern nur auf das Wichtigste im Zusammenleben: Liebe, Respekt und Vertrauen und vor allem, keine Gewalt gegenüber Frauen!“
    
    Dann holte ich zum Paukenschlag aus: „Malike hat uns anvertraut, dass sie keine Jungfrau mehr ist!“ Bevor das Dröhnen seine Ohren erreichen konnte und er das Gesagte überhaupt verstand, redete ich schnell weiter: ...
    ... „Sie ist mit elf Jahren beim Spielen so unglücklich auf einen Zaunpfahl gestürzt, dass sie sich dabei am Unterleib verletzt hat. Ihr Sohn war dabei und Ihre Frau hat die blutige Unterwäsche gesehen. Herr Hassan, Ihre Familie liebt Sie, aber noch mehr fürchtet sie Sie! Niemand hat es aus Furcht gewagt, Ihnen von diesem ‚Unfall‘ zu berichten. Wahrscheinlich hat Ihre Familie geglaubt, es wäre besser gewesen, wenn Malike einen Arm oder ein Bein verloren hätte, als ihre Unschuld.
    
    Ihr Sohn Hürriyet fürchtet Sie so sehr, dass er versucht hat, sich auf Malikes Kosten Ihre Liebe zu erkaufen. Wollen Sie das wirklich? Malike möchte jedenfalls vorerst nicht in Ihre Familie zurückkehren, weil sie große Furcht vor Ihnen hat. Nach den deutschen Gesetzen, die für Malike als Deutsche ja gelten, hat sie auch das Recht dazu. Sie ist volljährig und hat das Recht auf freie Wahl des Wohnortes.“
    
    Ich ließ das Gesagte einen Moment lang im Raum stehen und sah, wie es in Herrn Hassans Kopf rotierte. Seine Frau hatte den Kopf gesenkt, aber sie sah mich von unten herauf mit ungeheurer Dankbarkeit an. Selbst Hürriyet nickte still vor sich hin.
    
    Also fuhr ich fort, da ich seine Familie hinter mir spürte: „Wenn Sie Ihre Familie auch wirklich lieben, müssen Sie sie auch loslassen. Ich weiß zwar überhaupt nicht, ob das in Ihrer Familie ein Problem ist, aber lassen Sie Ihre Frau den Führerschein machen oder mit Malike shoppen gehen, lassen Sie Ihren Sohn seinen eigenen Weg gehen, zum Beispiel bei der ...
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