1. Schicksal


    Datum: 25.08.2019, Kategorien: Sonstige,

    ... nehmend.
    
    Stundenlang schlenderten sie durch die Stadt, erzählten, schauten, küssten, entdeckten. Das Wetter war an diesem Tag wirklich bescheiden, Februarwetter halt. Gut, das es viele Kirchen in der Lutherstadt gab, in denen sie sich flüchten konnten. Sie liebte Kirchen, nicht aus spirituellen oder religiösen Gründen. Nein, sie fühlte sich in ihnen wohl und sie mochte einfach diese Gebäude, die sich nie wirklich glichen. Sie mochte die Malereien an den Wänden oder Fenstern. Sie war tief beeindruckt und gleichzeitig entsetzt von der Prächtigkeit der Kirchen selbst in den ärmsten Zeiten, in denen die Kirchen errichtet worden waren. Für diesen tiefen Glauben an etwas, was man nicht wirklich sah oder fassen konnte, faszinierte sie. Sie setzten sich auf eine der hölzernen Bänke, kuschelten sich aneinander, wärmten sich gegenseitig. Er wollte sie küssen, aber sie ließ nur kleine flüchtige Küsse zu. Nein, nicht hier. Nicht, wo sich andere darüber empören könnten. Wo andere Trost suchten. Kopfschüttelnd akzeptierte er und ließ sich durch sie weiter wärmen. Ihre Hand wärmte seine. Nicht wie es sonst üblich war, das Männer die Hände der Frauen wärmte.
    
    Beide beobachteten sie die Leute. Einige kamen, um zu beten, andere besichtigten die Innenräume, ließen sich von Stadtführern die Besonderheiten erklären. Es war interessant zu beobachten und sie taten es lange, bis sie Hunger verspürten. Ein kleiner Italiener an der Ecke zog sie an. Ohne Umschweife verzogen sie sich in die ...
    ... hinterste Ecke und setzten sich an einem Fenstertisch gegenüber. Sofort schob er seine Hand zu ihr herüber, streichelte ihren Handrücken, ihren silbernen Ring. Automatisch suchte sie seine Hand ab, ob sich der Ehering abzeichnen würde. Tat er nicht. Er folgte ihrem Blick. "Den hab ich abgenommen. Ist so schon schwer genug, das ich in Trennung bin." Jan nahm ihre Hand und führte sie zu seinen Lippen, liebkoste sie sanft. Der Kellner kam, grinste wissend und überreichte die Karten. Annika lachte innerlich, wie herrlich kitschig romantisch. Das erste gemeinsame Essen bei einem Italiener...
    
    Ohne die Hand des anderen loszulassen, studierten sie die Karte. Notgedrungen mussten sie während des Essens dann darauf verzichten sich an den Händen zu halten, aber der Tisch war nicht breit genug, das sie sich nicht mit den Knien berührten und die Beine umeinander verhakten. Für Annika konnte es in dem Moment nichts Schöneres geben.
    
    Eigentlich hatten sie die Stadt schon fast durch und trotzdem, sie liefen und liefen. Sie waren allein im Park und alle paar Schritte hielten sie an, küssten sich. Es störte nicht, das die Haare in der Zwischenzeit durchweicht waren, ihre Haare lockten sich bei Feuchtigkeit zu kleinen Sechsen zusammen. Aber das war alles egal, nur den anderen spüren und schmecken. Ein wahrer Sturzbach von oben ließ sie in ein Cafe flüchten. Innen war es warm und gemütlich. Nur zwei ältere Herrschaften an zwei Tischen saßen ebenfalls im Cafe. Vermutlich taten sie es regelmäßig. ...
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