1. Am Scheideweg


    Datum: 26.11.2019, Kategorien: Hausfrauen

    ... neun nach Hause kamst, hast du mir, wie in den Wochen davor, ungefragt von deinem Tag und von deinem Englisch-Lehrgang erzählt. Du warst sehr überzeugend.
    
    Am darauffolgenden Donnerstag habe ich in ausreichender Entfernung, um nicht von dir entdeckt zu werden, vor dem Restaurant auf der Lauer gelegen. Ich sah, wie du wieder auf einen Mann zugingst, den ich nun einwandfrei als David identifizieren konnte.
    
    David hatte vor dem Restaurant auf dich gewartet. Ich sah, wie er dich zur Begrüßung küsste, und wie er anschließend vor dir das Lokal betrat, und du ihm folgtest. Später hast du mir berichtet, dass du den Englisch-Lehrer ‚knuffig' findest. Ich habe getan, als ob ich eifersüchtig wäre, und wir hatten in dieser Nacht Sex. Wir haben uns dabei nicht wirklich geliebt, dazu war ich nicht fähig. Unser Sex war nur körperlich.
    
    Heute Abend habe ich dich und David mit Hilfe meines Tele-Objektives fotografiert. Eure Begrüßung hat sich von der von eurem Treffen davor eklatant unterschieden. Ihr habt euch verhalten wie ein Liebespaar, und euch innig geküsst. Ich bin, nachdem ihr das Lokal betreten hattet, nach Hause gefahren, weil ich dich heute Abend zur Rede stellen, und noch einige der Fotos, die ich von euch geschossen hatte, als Beweis ausdrucken wollte. Du wirst nicht glauben, wie erstaunt, verletzt, wütend und traurig ich war, als mir beim Betrachten der Bilder auffiel, dass du deinen Ehering abgenommen hattest. Warum hast du ihn abgezogen? Ich bin mir aber unschlüssig, ob ...
    ... mich deine Antwort noch interessiert.
    
    Wie du bestimmt gemerkt hast, bin ich nicht anwesend. Der Grund ist einfach. Worüber, außer über gebrochene Versprechen, zerstörtes Vertrauen und über die Modalitäten unserer Scheidung, sollten wir noch reden? Du hast offensichtlich und sehr symbolhaft unsere Ehe bereits aufgegeben. Wie heißt es in der Bibel? „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!" Du hast es an Vertrauen, Loyalität und Respekt mir gegenüber missen lassen. Das ist auch der Grund, warum ich dir meinen Ehering zurückgebe. Mach damit, was du willst.
    
    Wie geht es jetzt weiter? Ich bin nicht so arrogant zu glauben, dass du nur einen Fehler gemacht hast, du nur mich liebst, und du dir nichts sehnlicher wünscht, als zu mir, in unsere Ehe, zurückkehren zu dürfen, und David nun zum zweiten Mal endgültig Lebewohl zu sagen. Wenn dem so wäre, hättest du den Fehler nicht gemacht. Du bist mit unserer Ehe beim Spiel mit und um David ins Risiko gegangen, um was zu gewinnen? Die Antwort kann doch nur ‚David' sein. Ich gehe davon aus, dass du ein neues Kapitel in deinem Leben mit ihm aufschlagen möchtest, und es bislang noch nicht den richtigen Moment gab, es mir zu sagen, und die Scheidung einzuleiten. Ich fasse mal zusammen. Du magst vielleicht David gewonnen haben, unsere Ehe hast du aber verspielt.
    
    David hat wahrscheinlich viele Qualitäten, insbesondere die im Bett, die ich nicht habe. Du solltest es ausprobieren, ob sie noch so gut sind wie vor fünf Jahren. Du und er sind 17 ...
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