1. Am Scheideweg


    Datum: 26.11.2019, Kategorien: Hausfrauen

    ... sich einsam, und sie spürte fast körperlich die Angst, dass diese Einsamkeit nun ihr ständiger Begleiter sein würde. Sie trank den letzten Schluck Wein direkt aus der Flasche, und legte sich dann, bekleidet, wie sie war, in ihr Bett. Leise rief sie noch einmal vergeblich nach ihrem Mann. Sie kroch auf seine Bettseite, drückte seinen Schlafanzug an ihr Gesicht, und atmete tief durch die Nase ein. Karin meinte, seinen Körpergeruch zu riechen. Dann weinte sie sich in den Schlaf.
    
    Der erste Tag der Ehe-Auszeit.
    
    Am nächsten Morgen war sie gegen sechs Uhr wach. Sie erledigte ihre Toilette, frühstückte, schminkte sich anschließend dezent, und kleidete sich an. Trug sie am Arbeitsplatz, sie arbeitete im Kreditbereich mit Kundenkontakt, üblicherweise geschäftsmäßige Kleidung, wie ein körperbetonendes Kostüm, hautfarbene Strumpfhosen und Pumps beschloss sie, sich heute wie eine „langweilige Tante" zu kleiden: Weißer BH und weiße Pants, eine dunkelblaue Bluse, eine helle Stoffhose, weiße Baumwollstrümpfe und Ballerinas im Farbton der Bluse. Sie hatte nicht vor, sich für David sexy zu kleiden.
    
    Karin war nervös, als sie kurz vor halb eins den Aufzug verließ, der sie in das Foyer der Bank gebracht hatte. Sie schaute sich um, und erblickte David, der freudestrahlend auf sie zukam. Als er sie zur Begrüßung auf den Mund küssen wollte, drehte sie ihren Kopf zur Seite, so dass seine Lippen nur ihre Wange berührten.
    
    Auf dem Weg zu seinem Auto fragte sie ihn in einem kühlen Ton: „Wo ...
    ... gehen wir hin?" „Wir fahren natürlich zu ‚unserem' Restaurant", beantwortete er ihre Frage mit einem Lächeln. Als Karin fragend eine Augenbraue hob, schob er die Erklärung nach: „Wir gehen natürlich in das Restaurant, in das wir die letzten Wochen gegangen sind. Ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern, um deinem Mann glauben zu machen, dass wir etwas zu verbergen hätten. Glaubst du, er lässt dich von einem Detektiv beschatten?"
    
    Die letzte Frage ließ Karin erschaudern. Was wäre, wenn dies den Tatsachen entsprach? Dann würde Walter erfahren, dass sie sich heute -- nur einen Tag nach seinem Auszug -- wieder mit David getroffen hatte. Wie würde sie dann dastehen? Wie sollte sie ihm das erklären?
    
    Sie überlegte einen Moment, doch dann war sie sich sicher. „Nein, Walter lässt mich nicht beschatten", sagte sie voller Überzeugung. „Er hat mir gesagt, dass er mir und ihm einen Monat Auszeit von unserer Ehe gibt. Auszeit bedeutet, ich muss mich in diesem Zeitraum ihm gegenüber nicht rechtfertigen. Glaube ich zumindest, oder? Ich muss mir seine Nachricht noch einmal anhören, um sicher zu sein."
    
    Der Rest der kurzen Fahrt verlief schweigend. Im Restaurant nahm David den Gedanken von der „Ehe-Auszeit" auf. Nachdem Karin ihm eine Zusammenfassung von Walters Nachricht gegeben hatte, kommentierte David das soeben Gehörte: „Das ist doch fantastisch. Er hat dir eine Auszeit von der Ehe gegeben. Er hat dir also einen Persilschein ausgestellt. Du bist in den nächsten vier Wochen frei zu ...
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