1. Sterne


    Datum: 09.12.2019, Kategorien: Romantisch

    ... arbeitete, ihren Hauptsitz dorthin verlegte. Und ein Jahr später pleiteging. Arbeitete als Sprachlehrer. Weil das nicht viel abwarf, fing ich dann mit Übersetzen an. Und etablierte mich ausreichend, um dies zu einer steten und völlig ausreichenden Einnahmequelle zu machen.
    
    Mied Frauen. Nach Tilly hatte ich ohnehin nie wieder eine ernsthafte Beziehung gehabt. Viel Sex in England. Fast keinen in Deutschland. Vor drei Jahren eine kurze Affäre mit einer verheirateten Frau. Mied Clubs, fühlte mich auch bereits zu alt dafür. Wartete eigentlich nur noch auf das Verlöschen meines Lebens. Und das Verklingen der Musik.
    
    Hörte immer noch Musik, wenn ich es nicht erwartete.
    
    Das hörte erst auf, als ich die Sterne sah. Die Weite, die Größe des Weltraums, unseres Universums oder Multiversums, wie immer man das sehen will. Die Erhabenheit, die wahren Dimensionen von Zeit und Raum. Wie klein, wie bedeutungslos, ein Leben doch war, was für ein winziger Tropfen von Zeit und Gestalt in einem unfassbar großen Ozean.
    
    Und Stille. Wunderbare, seligmachende Stille. Wenn ich mich nicht gerade ärgerte. Fuck. Ich hatte irgendwelche Einzelbilder übersehen, auf denen Flugzeuge durchs Bild flogen und wegen der Belichtungszeit lange Streifen zogen. Hatte ich sie nicht vorher durchgesehen? Die Erinnerungen an die Vergangenheit setzten mir zu. Hatten mich mehr aufgewühlt, als ich mir eingestehen wollte. Ich wusste nicht mehr wirklich, was ich tat.
    
    Verflucht, lass es für heute. Mach dir ...
    ... irgendeinen Scheiß auf Netflix an. Trink ein paar Bier und komm runter. SMS von Helge. Damit auch ich seine Nummer habe.
    
    Der Stick lag noch auf meinem Wohnzimmertisch. Na gut, dann hörte ich mir die Frau mal an. Was denn da so wahnsinnig besonders an ihrer Stimme sein sollte. Als symbolische Geste für mich selbst hatte ich bei meinem letzten Umzug meine Stereoanlage weggeschmissen. Hatte den Computer für Filme und selten hörte ich noch mal Musik, meist alte Mixe von mir und Freunden aus London, dafür reichten auch die Speaker vom PC.
    
    Das erste Stück. Okay, klang nicht unprofessionell. Aber ich verstand schnell, was Helge gemeint hatte. Das war sauber. Nicht gut. Nicht schlecht. Nichts Besonderes halt. Bis sie anfing zu singen.
    
    Scheiße.
    
    Wie kann man Musik, eine Stimme beschreiben? Mit vielen, sinnlosen Worten. Das einzig Wesentliche, was man beschreiben kann und sollte, ist was sie in einem auslöst. Diese Stimme traf mich mitten drin. Es war unglaublich. Eine Wucht, eine Kraft, die mich völlig wegwehte. Von mir nichts übrig ließ. Mir unter die Haut ging. Mich direkt anging. Mich wegspülte, mich mitnahm.
    
    Und doch, nur andeutete. Weil das, was ihr da vorgegeben wurde, ihrem Potential nicht annähernd gerecht wurde. Helge hatte völlig Recht. Diese Frau hatte Großes vor sich. Diese Band war es nicht. Konnte es nicht sein.
    
    Kritisch hörte ich den Rest des Demos. Sie war einzigartig, brillant, unglaublich gut. Der Rest der Musiker in Ordnung, Helge hatte viel dazu gelernt, ...
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