Myari
Datum: 27.01.2020,
Kategorien:
Romantisch
"Ich gehe ins Friedrichs", sagte Ines. Nein, sie sagte es nicht. Sie sprach nicht wie sonst, mit fester Stimme. Es war eher gehaucht, fast geflüstert. Eine Reaktion wurde von mir erwartet. Ich schaute sie an, reagierte jedoch nicht. "Ich gehe ins Friedrichs", wiederholte sie noch einmal. Ich bewegte mich. Leckte über meine Lippen. Ich hörte die Worte, verstand sie auch, aber das Resultat dessen war noch nicht bis in mein Gehirn vorgedrungen. Meine Frau wiederholte es nochmal. "Ich gehe ins Friedrichs". Diesmal war es mit einem Abschlussende betont. Dementsprechend drehte sie sich auch einfach um und ging hinaus. Normalerweise hätte ich ihr einen Kuss gegeben und noch gesagt 'ich liebe dich', aber ich war wie gelähmt. Genauso gut hätte sie sagen können 'ich verlasse dich', das Resultat wäre dasselbe gewesen. Vielleicht nicht gleich, aber im Laufe der Zeit. Ich hatte schon gemerkt, dass heute etwas anders ist. Sie erschien nicht wie sonst zum lösen des Kreuzworträtsels. Sie hatte sich also in der Zeit zurechtgemacht. Zum Ausgehen.
Ich hatte schon geahnt, dass es irgendwann so kommen würde. Aber nicht so früh. An fing es mit Gerlinde, ihrer Schulfreundin. Die als erste dorthin ging, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte. Dann Sigrid, die Witwe. Und Beate. Sie alle mussten meiner Frau diesen Floh ins Ohr gesetzt haben. Das Friedrichs war als Aufreißer Schuppen bekannt. Witwentröster. Ines hatte mich schon mehrfach bekniet, mit ihr dorthin zu gehen. Zum tanzen. Aber da gab es ...
... kaum Paare. Und tanzen war auch nicht so mein Ding. Zur Musik bewegte sich eher mein Gehirn, als meine Extremitäten. Also mit anderen Worten, Frauen, meist ältere, gingen dorthin, um Spaß mit meist jüngeren Männern zu haben, und diese gingen dort hin, da es dort relativ einfach war, eine Frau für eine oder wenige Nächte aufzureißen. Sicher würde es heute noch nicht zu so einer Situation kommen, aber irgendwann schon.
Ich muss minutenlang auf dem Stuhl gesessen haben. Ich seufzte, und stand auf. Manchmal muss ein Mann eben tun, was ein Mann tun muss. Ich holte die Notfallmappe aus dem Schrank. Hier waren alle wichtigen Dokumente drin. Das war das Wichtigste. Dann ging ich an den Laptop. Suchte eine Verbindung. Das Ziel war klar. Schon vor einiger Zeit hatte ich mich damit beschäftigt, was wäre wenn. Nicht wie das hier, sondern wenn Ines sterben würde vor mir. Krankheit, was auch immer. Meine Wahl wäre Thailand gewesen. Dort ist das Leben so billig, da würde die spätere Rente dicke reichen und ich hatte ja noch etliches an finanziellem Polster. Das Aktiendepot von der Erbschaft hatte mittlerweile einen gewaltigen Sprung nach oben gemacht. So würde es selbst jetzt reichen. Somit hatte ich mich schon mit dem ganzen drumherum beschäftigt. Jetzt würde es Ernst werden. Ich buchte. Hin - und Rückflug. Das würde erst mal reichen für die Einreise. Das Touristenvisum. Den Rückflug konnte ich dann immer noch stornieren. Für einen längeren Aufenthalt muss man sich dann noch ein sog. ...