1. Spieglein, Spieglein ...


    Datum: 30.01.2020, Kategorien: Sonstige,

    ... meinen Körper rinnen. Es war eine der Freuden, die ich immer wieder genoss. Besonders wenn man mit dem eigentlichen Reinigungsprozess fertig war, stand ich zu gerne noch mehrere Minuten unter dem Strahl. Wenn es dazu noch kalt draußen war, drehte ich das Wasser immer heißer, bis ich es kaum noch aushalten konnte. Wenn ich fertig war, fühlte es sich so ähnlich an, als wenn man gerade aus der Sauna gekommen wäre. Die umgebene Kühle war zwar zu spüren, aber man fror nicht. Im Gegenteil, eine Zeit lang empfand man es als angenehm.
    
    Dieses Mal widmete ich mich sehr lange der Körperpflege. Unnötige Haare wurden säuberlich entfernt, besonders die in der Nase und an den Ohren. Es sah einfach nicht schön aus und es ärgerte einen sehr, dass es immer mehr wurde. Das Alter war nicht aufzuhalten.
    
    Alles dauerte länger als gedacht, aber ich hatte Zeit. Danach wickelte ich mich in einen flauschigen Bademantel ein und frühstückte ausgiebig. Für diesen Hochgenuss hatte ich am vorigen Tag gesorgt, und als ich die köstliche Auswahl an Käse und Räucherfisch betrachtet die sich vor mir auf dem Tisch ausbreiteten, wusste ich, dass es mir gut ging. Sicher, eine seltsame Zusammenstellung, aber warum nicht. Solange es schmeckte, war alles in Ordnung.
    
    Voller Tatendrang ging ich zurück ins Schlafzimmer und sah nach Klara. Was ich erwartet hatte, war auch eingetreten. Nach zwei Stunden konnte ich nicht mehr erwarten, dass sie noch da war. Sie war längst aufgestanden. Wo sie hin war, wusste ich ...
    ... nicht. Darüber sprachen wir eigentlich nie. Also würde ich den Tag machen, was ich sonst hatte liegen gelassen. Wäsche musste gewaschen werden und vieles mehr. Als ich das Fenster aufriss, um im Schlafzimmer einmal gründlich zu lüften, fiel mein Blick auf den Spiegelrahmen. Zu meinem Schrecken war bereits die Hälfte des Blattgoldes abgeblättert. Er sah mehr als schäbig aus und ich versuchte ein letztes Mal, etwas Neues aufzubringen. Doch es ging nicht. Es hätte mich auch gewundert.
    
    Als ich das Fenster zumachte, sah ich wie immer zum Spiegel und erkannte eine Bewegung. Neugierig ging ich weiter vor und wollte sehen, was Klara gerade machte. Zu meiner Überraschung war es aber nicht Klara, sondern ihre Mutter. Zuvor hatte ich sie noch nicht alleine in Klaras Zimmer gesehen, daher wunderte ich mich ein wenig. Wenn ich alles überdachte, hatte sie dort auch nichts verloren. Umso interessanter für mich, was sie dort tat. Sie sah sich langsam und gewissenhaft um. Suchte anscheinend etwas. Wenig später sah sie es. Es stand auf einem der beiden Beistelltische neben dem Spiegel.
    
    Mit fünf Schritten war sie da und nahm das Parfümfläschchen andächtig in die Hand. Sie drehte es hin und her, beobachtete dabei die Flüssigkeit darin, wie sie hin und her schwappte. Nur sehr vorsichtig öffnete sie den Deckel und roch daran. So ganz schien ihr der Duft nicht zu gefallen, denn sie verschloss das Fläschchen sofort wieder. Trotzdem hielt sie es noch länger in der Hand.
    
    Jetzt hatte ich die ...
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