Weeslower Chroniken VIII - 2007 - Inês - Kapitel 1 - Das Familienmädchen
Datum: 01.03.2020,
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Schamsituation
... viel schlimmer: York Simonsen war schließlich Professor. Und obwohl er so freundlich und aufgeschlossen ihr gegenüber aufgetreten war, obwohl sie seine Familie kannte und auch ihn schon im Privaten erlebt hatte, konnte sie sich doch nicht ganz davon freimachen. Sie war so erzogen worden und das steckte tief in ihr drinnen, so modern und selbstbewußt sie sich auch geben wollte. In ihrer traditionsbewussten Familie galt ein Amt wie dieses etwas, war es eine Autorität, der man zu gehorchen, zu der man aufzusehen hatte. Vor wenigen Wochen noch hätte Inês kaum den Mut aufgebracht, so jemandem direkt in die Augen zu schauen, nun sollte sie möglichst offen und unbefangen mit so jemandem privat sprechen. Sogar gegenüber Nadine hatte sie sich vor wenigen Tagen noch anfangs stark befangen gezeigt. Nur hatte sie da wenigstens nicht so eine lange Zeit davor zum Nachdenken gehabt. Und nun zweifelte sie plötzlich: Wollten die beiden sie wirklich haben? War die Entscheidung günstig ausgefallen, hatte sie sich bewährt? Oder gab es noch eine Art Bewährungsprobe? – Nichts schien darauf hinzudeuten, dass sie sich nicht wollten, und doch: Inês wurde immer nervöser, je näher die Stunde rückte.
Sie klopfte und wurde hinein gebeten. Nadine stand am Fenster, York saß an seinem Schreibtisch. Er erhob sich, gab Inês förmlich die Hand – die einen unterwürfigen Knicks andeutete – und bat sie, sich auf das Sofa in seiner Sitzecke zu setzen. Sofa, ein Sessel je links und rechts davon, ein flacher ...
... Couchtisch davor, York hatte all das auf eigene Kosten aus seiner Wohnung hergebracht. Er hasste die üblichen geistlosen Büro- und Besprechungsmöbel. Inês sank überraschend tief ein und war froh, sogar heilfroh über ihr heimlich geliehenes Höschen, das unweigerlich in dieser Haltung sofort zum Vorschein kam. Dennoch – wie irre es ist, dachte sie, vor wenigen Tagen noch hätte ich mich in Grund und Boden geschämt, wenn ich einem Professor oder sonst wem auf diese Art und so offen mein Höschen präsentiert hätte - und nun bin ich erleichtert,
dass
ich es tue…
„Nadine hat mir viel von Dir erzählt“, begann York freundlich. Er wandte sich seiner Freundin zu, die am Nebentisch Wasser für alle drei einschenkte. „Wir sind uns bereits einig, oder? Aber möchtest Du auch gern bei uns wohnen und dafür ab und zu auf die Kinder aufpassen?“ Bevor Inês antworten konnte, ergänzte er: „Natürlich kannst Du bei uns kostenlos wohnen. Und für das Kinderhüten gibt es ein Taschengeld.“
Inês Strahlen war Antwort genug. Ihr fehlten ohnehin gerade die richtigen deutschen Worte. „Ja.“ kam es dann doch leise aus ihr heraus, fast gehaucht. Sie konnte ihr Glück kaum fassen.
Nadine entfuhr ein freudiges „Juhu!“. Sie stellte das letzte Glas so hektisch auf dem Tisch ab, dass es überschwappte, beugte sich über Inês und umarmte sie. „Prima. Wann willst Du bei uns einziehen?“
Inês zuckte mit den Schultern. „Sofort?“ fragte sie vorsichtig.
„Sofort!“ bestätigten die beiden wie aus einem Munde und ...