1. Aurelies fabelhafte Welt


    Datum: 22.08.2020, Kategorien: Transen

    ... Schultern. Es war ihr ein Genuss, Leon sprachlos zu sehen. Diana begann zu lachen, in der Hoffnung die Situation zu entspannen.
    
    In Aurelies Metaphern aus Kindertagen war Diana eine Lachmöwe. Sie schwebte, unbehelligt vom tosenden Meer, über den Dingen und lachte über die Scheiße unter ihr. Heute wusste Aurelie, dass Diana dem kleinen Manuel nicht helfen konnte. Diana hatte sich nie an den Mobbingattacken beteiligt und war den traumatischen Situationen entflohen. Erst, wenn die Luft rein war, kam sie zurück, um Manuel ein bisschen Normalität zu bieten. In ihrem Zimmer teilte sie ihre Kinderschminke mit ihm und lachte ihn nicht aus, wenn er sich einen ihrer Röcke anzog und vor dem Spiegel posierte. Diana war keine Beschützerin, sie war eine Heilerin.
    
    »Ich hole mir Pommes, will noch jemand?«, fragte Diana.
    
    »Ich komme mit«, sagte Aurelie und ließ den sprachlosen Leon achtlos zurück. In ihrem knappen Sommerkleid und den weißen Turnschuhen verschwand sie im Trubel, an der Hand von Diana.
    
    »Ich esse sonst nie Pommes«, erklärte Diana kauend, an dem Stehtisch neben der Essensausgabe, »aber einmal im Jahr schmecken die zum Reinlegen lecker.«
    
    »Die sind echt lecker«, pflichtete ihr Aurelie bei.
    
    »Bist du sauer, weil ich dich gegenüber Leon enttarnt habe?«
    
    Aurelie machte eine abfällige Handbewegung: »Du hast ihn und mich bei Facebook in der Freundesliste, er hätte längst wissen können, wer ich bin.«
    
    »Äh, nee«, lachte Diana kopfschüttelnd, »Ich schätze Leon nicht so ...
    ... ein, dass er sich stundenlang mit Onlineprofilen beschäftigt und mit dem Bild eines elfjährigen Jungen im Kopf, kommt man nicht darauf, dass es jetzt eine attraktive junge Frau ist.«
    
    Aurelie warf Diana eine Kusshand zu.
    
    »Warum wurde aus dem Manuel eine Aurelie und keine Manuela?«, hörte Aurelie eine Männerstimme an ihrem Ohr. Sie sah Leon, hinter sich stehen.
    
    »Weil Manuel schon immer eine Aurelie war«, sagte sie selbstsicher und reichte Leon ihre fast leere Pommestüte.
    
    »Kannst du das bitte dort in den Müll werfen?«
    
    Leon drehte sich, auf der Suche nach dem Abfalleimer um und Aurelie jubelte innerlich. Sie hatte ihm die Kontrolle über die Situation entzogen, wie es ihr in den Antimobbingtrainings beigebracht worden war. Der Erzfeind ihrer Kindheit brachte für sie den Müll weg und sah ausgesprochen gut aus, wie Aurelie zugeben musste.
    
    »Ich würde gerne ...«, setzte Leon an, als er zurückkam, doch Aurelie unterbrach ihn: »Ich habe Durst nach den salzigen Pommes, würdest du mir bitte eine Limo ausgeben?«
    
    Spätestens jetzt durchschaute Leon das Spiel und lächelte sie an. Es war kein hämisches Grinsen, wie sie es allzu gut von ihm kannte. Bei diesem Lächeln lachten seine Augen mit. Er verhielt sich wie ein Gentleman und fragte auch Diana, nach einem Getränk ihrer Wahl. Als Leon losgelaufen war, schaute Diana anerkennend zu Aurelie. Sie hob ihre flache Hand und Aurelie klatschte ab.
    
    Leon stellte drei Flaschen Limonade auf den Tisch und setzte zur Rede an, als ihm ...
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