1. Aurelies fabelhafte Welt


    Datum: 22.08.2020, Kategorien: Transen

    ... tollpatschiger Junge mehr war, der nicht wusste, wo er hingehörte. Sie war nie auf Rache aus gewesen. Ehrliche Anerkennung, mehr wünschte sie sich nicht und Leon hatte ihr davon eben zu viel auf einmal gegeben.
    
    »Ach Mensch«, seufzte Aurelie und fuhr mit einem Finger über den Fuß des Weinglases, aus dem Leon noch vor wenigen Minuten getrunken hatte. Sie war enttäuscht über seinen erstaunlich kampflosen Rückzug. Seine täglichen Botschaften auf ihrem Smartphone würden nach diesem Abend vermutlich ausbleiben. Ihr wurde bewusst, wie schnell sie diese kleinen Aufmerksamkeiten liebgewonnen hatte.
    
    Die Behauptung, kein Interesse an Leon zu haben, war nicht richtig gewesen, aber ihre emotionalen Schutzfunktionen reagierten übersensibel bei derartigen Sturmangriffen. Zumal es bei all ihren femininen Attributen, einen kleinen Haken gab, der ihr die Leichtigkeit nahm, sich auf spontane Abenteuer einzulassen. Wie sollte sie Leon das alles an solch einem Abend erklären, fragte sie sich. Ihm nachzulaufen kam für Aurelie nicht infrage.
    
    »Signorina, bitte kommen Sie«, sagte der alte italienische Inhaber des Restaurants und zeigte zum vorderen Teil des Gastraums. Der Mann entschuldigte sich tausendfach für die Störung und begleitete Aurelie zum Eingang. Er zeigte auf die Fußgängerzone vor seinem Restaurant. Dort stand Leon mit heruntergelassener Hose und hängenden Armen auf einer öffentlichen Bank.
    
    »Verliebte Männer machen verrückte Sachen«, sagte der Italiener gestenreich, »aber ...
    ... das ist schlecht für mein Geschäft.«
    
    Aurelie lehnte sich mit verschränkten Armen an den Türpfosten, schaute zu Leon und grinste dezent. Er stand, wie in einem Büßergewand, mit seinem weißen Hemd und nackten Beinen auf der Bank und schwieg. Die Großstädter, die um diese Uhrzeit durch die Gassen flanierten, belächelten Leons stille Darbietung, deren wahre Bedeutung nur Aurelie kannte. Ihr Herz hüpfte, weil Leon nicht eingeschnappt abgereist war. Dass er sich mit dieser Vorstellung zum Affen machte, bedeutete ihr nichts.
    
    »Es zählt nicht, wenn man es freiwillig macht«, rief Aurelie mit der Gelassenheit einer Außenstehenden.
    
    Sie erinnerte sich an den Vorfall, bei dem ihr Leon die Hose, aus Spaß ruckartig heruntergezogen hatte und diese Blamage mit dem Rest der Schule teilte, indem er den schmächtigen Jungen auf den Schulhof zerrte und, während der großen Pause, mit Hilfe seiner Kumpels, auf die Tischtennisplatte stellte. Unter dem Gelächter und den hämischen Blicken der Schüler war Manuel nicht fähig, sich dieser Situation zu entziehen, bis ihn ein Lehrer unsanft aus der Starre riss und ihn für diese Provokation schimpfte.
    
    »Lasse mich hier stehen und geh, wenn du mich nie wiedersehen willst«, sagte Leon reglos.
    
    Der Restaurantbesitzer stellte eine kleine Karaffe mit Rotwein und zwei Gläser auf einen freien Tisch vor seinem Restaurant, wischte über die Sitzflächen von zwei Stühlen und sagte: »Bitte sehr, bella Donna. Bringen Sie ihren verrückten Mann zur Vernunft. Es ...
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