1. Fünfkantwald I


    Datum: 15.11.2020, Kategorien: Schamsituation

    [Im zweiten Untergeschoss des Nationalmuseums liegen Restbestände des Staatsarchivs des ehemaligen Fürstentums Razenfeld. Unter anderem findet sich dort ein grosser Umschlag mit Siegel und dem Vermerk "Darf erst 30 Jahre nach meinem Tod geöffnet werden, [gezeichnet] Leonora". Das Siegel ist gebrochen. Jemand öffnete irgendwann den Umschlag, allerdings ohne dies zu vermerken. Die Geschichts- und Deutschstudentin Jennifer Altroth sichtete Ende letzten Jahres bei der Materialsammlung für ihre Bachelorarbeit das Schriftstück und erstellte eine Abschrift unter gleichzeitiger vorsichtiger Übertragung des Textes in ein neueres Deutsch:]
    
    (1) Ich stehe in der Lichtung des Fünfkantwaldes. Ich bin vollkommen nackt und habe meinen Oberkörper nach vorn gebeugt. Mit meinen Händen stütze ich mich direkt über meinen Knien auf den Oberschenkeln ab. Ich spüre das Gewicht meiner Brüste, welche sich vom Oberkörper abheben und gegen den Boden streben. Meinen Hintern strecke ich Johannes Ork entgegen. Rund um mich stehen fünf Menschen, zwei Weiber und drei Kerle, in ungefähr meinem Alter. Ich bin 23½ Jahre alt. Zuvor habe ich Johannes meine Reitpeitsche übergeben und ihm erlaubt, mir drei kräftige Streiche auf den Hintern zu geben.
    
    Ich verspüre kein Verlangen nach Schmerz. Zu oft in meiner Jugend liess meine Mama mir eine erzieherische Pflege meiner blanken Hinterbacken angedeihen. Und selbstverständlich habe ich gelernt, dass es mir peinlich sein muss, fremden Menschen meinen blossen Leib ...
    ... zu zeigen. Da die fünf jungen Menschen, die mir in der Lichtung des Fünfkantwaldes auflauerten, sich aber nicht einig sind, was sie mit mir anstellen sollen und ich die Sache vor­antreiben will, habe ich mich der Scham zum Trotz überwunden, mich vor ihnen nackt zu machen und meinen Hintern für den Empfang einiger Streiche bereitzuhalten.
    
    Johannes ist sichtlich überrascht, weiss nicht, was er von meinem Angebot halten soll. Aus einem Augenwinkel heraus erblicke ich Gerlinde Ork, die Schwester von Johannes. Sie nickt ihrem Bruder zu und zischt: "Du darfst. Mach endlich!" Der erste Streich, der nun meine linke Hinterbacke trifft, ist schwach, ein Nichts. Der zweite und der dritte Streich sind etwas stärker, aber auch wenig schmerzhaft. Ich bleibe gebeugt, denn ich erwarte einen vierten, vielleicht einen fünften oder sogar einen sechsten Streich. Dies nähme ich ohne Protest hin, denn ich verstehe, dass Johannes gegenüber seinen Kameraden Souveränität zeigen möchte. Aber Johannes wirft die Reitpeitsche ins Gras. Ich hebe meinen Oberkörper und stehe wieder gerade. Meine Arme und Hände lasse ich baumeln. Selbstverständlich würde es sich geziemen, die Hände zur Bedeckung meiner Brüste und meines Unterleibs zu benutzen. Dies würde ich auch gern tun, aber ich getraue mich nicht, da ich befürchte, mich damit lächerlich zu machen. Lieber schäme ich mich.
    
    All dies geschah vor rund zehn Tagen. Ich schreibe diesen Bericht aber soweit möglich in der Gegenwartsform. Er dient in erster ...
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