Die See-Bestattung
Datum: 24.11.2020,
Kategorien:
Verführung
... so? Damals waren wir noch mit allem Drum und Dran kirchlich getraut worden. Es waren wirklich sehr lange zwei Jahre der schlechten Tage, in denen ich mich jeden Tag überwinden mußte, um nicht vor ihm auszuspucken, das können Sie mir glauben. Und mehr als einmal war ich drauf und dran gewesen, meine Koffer zu packen, wenn er wieder einmal unausstehlich zu mir gewesen war, hart und ungerecht in der Wortwahl. Und das Entsorgen der Windeln war nun auch ein echtes Problem für mich geworden. Bis dahin hatte ich das Gefühl von Ekel nicht gekannt. Im ganzen Haus mußte ich nämlich ständig hinter ihm herwischen." "Das klingt wirklich furchtbar, was Sie da sagen." Wir gingen eine ganze Weile schweigend nebeneinander her. Ich mußte das erst einmal sacken lassen. Nach einer langen Pause fragte sie: "Und Sie, haben Sie eine Familie?" "Sie waren sehr offen zu mir und ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, daß Sie mir sozusagen ihre Privathölle geöffnet haben. Schließlich kennen wir uns ja erst wenige Stunden." Pause. "Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir uns mit den Vornamen anreden würden?" "Nichts dagegen, ich heiße Inge." "Andreas. Die richtige Brüderschafts-Zeremonie mit allem Drum und Dran holen wir mal nach, wenn wir Sekt haben. Aber wir können natürlich nachher schon mal eine Trockenübung machen, wenn uns keiner zuschaut." Sie kicherte dabei ein wenig nervös. "Einverstanden, nichts dagegen." "Also, meine Frau ist vor 6 Jahren leider verstorben. Sie liegt hier oben auf dem hiesigen ...
... Friedhof. Wir hatten eine wirklich gute Ehe, auch wenn wir keine Kinder bekommen haben. Gebärmutterhalskrebs. Zu spät erkannt. Die Metastasen waren schon in der Leber, als man es erkannt hatte. Heute ist die Medizin natürlich deutlich weiter als damals. Es war ein qualvolles Dahinsiechen gewesen, trotz der Morphine, die man ihr im Endstadium wie Bonbons verabreicht hat." "Das tut mir sehr leid! Und danach, hat es keine neue Frau in Deinem Leben gegeben?" Das neue "Du' war für mich noch etwas ungewohnt. Ich war eigentlich in der Tanzschule so erzogen worden, daß stets die Frau das Du zuerst anbietet, nicht umgekehrt. Und daß ein Kuß dazugehört. Aber ich hatte vorhin irgendwie das Bedürfnis gehabt, es ihr anzubieten, spontane menschliche Sympathie sozusagen. "Meine Frau hatte mich noch auf dem Totenbett beschworen, auf keinen Fall allein zu bleiben. Alleinlebende Männer würden verlottern, liefen ungewaschen und unrasiert durchs Leben und würden ihre Wäsche so lange tragen, bis die Fetzen herunterhängen würden. Und Männer würden dadurch auch stinken." "Ist das so?" "Man kann das natürlich nicht verallgemeinern, ich war ja bei der Bundeswehr gewesen und hatte dort schon etwas Selbstdisziplin gelernt. Trotzdem hatte ich arge Mühe, das Bestattungs-Geschäft, welches ich nach dem Tod meines Vaters nun auch nach dem Tod meiner Frau so weiterzuführen wie bisher. Ich wollte ursprünglich ja eigentlich mal Architektur studieren. Mußte dann aber, als mein Vater plötzlich an Herzversagen starb, das ...