Die Anhalterin
Datum: 12.10.2018,
Kategorien:
Schamsituation
Das erste, was mir auffiel, war ein nackter Arm. Er ragte so auffällig in den schmalen Sandweg zwischen den Kiefern, dass er förmlich eine Schranke zu bilden schien. Er endete in einer zur Faust geballten Hand; der nach oben gestreckte Daumen war eindeutig. Auf der anderen Seite verschwand der Arm hinter einer riesigen Pappe, groß genug, um die Seitenwand einer Kühlschrankverpackung zu sein. Ich wunderte mich einen Moment lang, dass auf der Pappe nichts stand. Anhalter benutzen Pappen doch eigentlich als Schild für ihr Ziel. Doch hier stand nichts außer einem französischen Firmennamen.
Natürlich sah ich nun auch den Kopf, der oben über die Kante der Pappe ragte ... blondes Haar, ein ovales, nicht unbedingt schönes, aber interessantes weibliches Gesicht, auf dem sich Spuren der Verzweiflung malten. Irgendwie war es leicht absurd: eine riesige Pappe, der im Dämmerlicht hell leuchtende Unterarm und der Kopf seltsam unverbunden, und natürlich unerwartet in dieser Einöde.
Ich fuhr langsamer.
"Sollen wir?" fragte ich meine Frau.
Sie antwortete nicht sofort. Inzwischen fuhr ich fast Schritttempo, erreichte die Anhaltern und war fast vorbei.
"Sie ist allein," meinte Tina.
Ich wertete das als Zustimmung. Die Gegend war friedlich; von Überfällen auf Touristen hatten wir hier noch nie gehört. Daher kam mir eine keine Sekunde der Gedanke, die junge Frau könnte ein Lockvogel sein. Zudem war der Kiefernwald um uns herum licht und ohne nennenswertes Unterholz. Ich hielt ...
... an, nun etwa sechs bis acht Meter hinter der Anhalterin. Im Rückspiegel sah ich, dass sie scheinbar völlig in dem großen Karton steckte. Dann stieg ich aus. Wenn sie mitfahren wollte, musste sie nach hinten krabbeln, zu meiner Frau. Wir hatten nur einen zweitürigen Mietwagen bekommen, einen älteren Renault, und nach ein, zwei Versuchen hatten wir es aufgegeben, unsere sperrigen Strandsachen jedesmal nach hinten zu packen.
Eigenartigerweise starrte mich die Anhalterin an, als könne sie gar nicht glauben, dass jemand angehalten hatte. Oder als zweifle sie plötzlich an ihrer Absicht.
"Hallo!" rief ich. "Est-ce que vous voulez venir avec nous?"
"Oh ... ", kam die Antwort, so leise, dass ich sie kaum verstand. "English?"
"Yes, I can speak english!"
Doch sie schien meinen Akzent herausgehört zu haben: "Oder sind Sie Deutscher?"
"Ja, sind wir ..."
"Sie sind nicht allein?"
"Nein!" Ich musste fast lachen. "Meine Frau ist hier. Auf dem Rücksitz. Es ist etwas schwierig, da auszusteigen. Nur keine Sorge! Wir tun Ihnen nichts!"
"Oh .. gut! Einen Moment noch, ich komme! Und bitte ... wundern Sie sich nicht! Ich werde es Ihnen erklären!"
Natürlich wunderte ich mich. Ich hatte mich schon über den Karton gewundert, dann über die zögerliche Reaktion ... doch was ich nun zu wundern bekam, schlug das alles um deutliche Längen.
Es zeigte sich, dass die junge Frau tatsächlich vollständig in dem Karton steckte; nur an der Seite war er eingerissen, wo sie den Arm ...